512
Litt Abend bei den musikalischen Meininger«.
ventsaal. Nebenbei bemerkt: dieser Saal ist ei» vortreffliches Konzertlokal, an dem sich nichts bemängeln läßt als die Wahl der Komponisten, deren Namen die Wände zieren. Wie kommen Marschiier und .Kreuzer hierher, in eine Reihe mit Bach, und Beethoven und überhaupt unter die ^vuzertkompvnistcn? Der Saal ist geräumig, er faßt 2000 Zuhörer; eine Orgel schließt das Orchestcrpvdium ab, und die Akustik ist vortrefflich. Die Philharmoniker spielen hier mit 19 ersten Violinen; die Meininger brachten deren nur zehn mit, nnd doch füllte den Saal ein schöner, runder Klang. Ans diesen Umstand können sich die Erbauer des Saales etwas zu Gute thun, aber auch die Meininger Hvfkapelle. Wir sagen letzteres ausdrücklich, und zwar deshalb, weil ein Teil der Berliner Kritiker den Leistungen des Meiuüigcr Orchesters den Wohlklang mehr oder weniger abgesprochen hat. Seit wann sind die Herren so sehr verwöhnt? Ich habe in Berlin zeitweilig recht unangenehmen Fagvttklang gehört, und zwar in den Sinfoniesoireen der königlichen Kapelle. Einzelne Berliner Referenten haben geradezu behauptet, das Verdienst Bülows bestehe darin, daß er mit „diesen untergeordneten Kräften" so „interessante" Aufführungen erziele. Diese Kräfte sind aber keine „untergeordneten." Wer iu den Orchesterverhältnisse» Deutschlands Bescheid weiß, sucht überhaupt in den Hofkapellen keine untergeordneten Kräfte. In den königlichen und kaiserlichen Kapellen von München, Wien und Berlin sitzen zwar mehr virtuose Solospieler als in Meinungen und Nenstrelitz, und unter den dort verwendeten Streichinstrumenten befindet sich eine größere Zahl guter italienischer Exemplare. Aber schlechte Geigen haben die Meininger nicht, und die Mitglieder der Kapelle sind alle technisch und musikalisch wohlgeschulte Spieler. Die Kapelle war schon lange vor Bülow in gutem Stande und ist immer von tüchtige» Kapellmeistern geleitet wordeu. Sie hat auch unter ihren Konzertmeistern uud ihren Bläser» häufig ausgezeichnete Virtnosen aufzählen können. Zur selben Zeit gehörten ihr I. I. Bott, einer der besten Schüler Spohrs, als Dirigent, und das zweite Mullersche Quartett an. Der erste Klarinettist, den sie jetzt besitzt, ist als Orchestcrspieler eine Kraft ersten Ranges, uud ich möchte mich uicht anheischig mache», nur drei Kollegen von ihm in Deutschland anzubringen, die sich mit dem Manne messen könnten. Was hat dieser Künstler für einen eigentümlich vibrircnden, rührende» Ton in zarten Kantilenen, und was weiß er wieder dem schmalen Rohre für mächtige, starke Klangsäulen zn erpressen, wenn die Klarinette ein wichtiges, langtöniges Motiv gegen die Wucht des Streichorchesters zu behaupten hat! Durch ganz abgezeichnete Leistnngen sind auch die Meininger Trompeten und Posaunen bemerkbar. Ihnen vor allen kann man nachsagen, was im Grnnde von sämmtlichen Meininger Kapellmitgliedern gilt: sie sind den Aufgaben der Orchesterwerke technisch vollkommen gewachsen und führen sie als gute Musiker durch. Dies Lob ist das höchste, das man einer Kapelle zollen kann.