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Die Frau Bürgemeisterin.
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Die Frau Bürgemcistenn, 497

den Mittelpunkt gestellt hat, mit dem Verhältnis Marias zu ihrem Gatten. Dieses aber reicht als Stoff für einen Roman bei weitem nicht aus; es langte höchstens zu einer Novelle; in einer Novelle, mit sinnigem Ernst und liebevoller Kleinmalerei im Detail gleichmäßig sauber ausgeführt, könnte es recht hübsch Wirte». Mehr noch würde der Stoff zu einer humoristischen Behandlung ge­eignet sein, denn an den Ernst und die Schwere von Marias Kummer kann man nicht recht glanbcn. Bei grübelnden Naturen, die von Außendingen nicht in Anspruch genommen werden, mag ein -solches Motiv zu wirklich ernstem Kon­flikt führen können; bei der Kerngcsundheit der Frau sowohl wie des Mannes hat man von vornherein keine Sorge; man fühlt sich versucht, ihr zu sagen: Liebes Frauchen, machen Sie sich weiter keinen Kummer. Ihr Mann wird bald sehen, was für eine tüchtige Person Sie sind, die Kopf und Herz auf dem richtigen Flecke hat, und wird sehr bald von selbst auf den Fuß mit Ihnen kommen, wie Sie wünschen. Ihre Ungeduld macht's nicht besser." Und es be­dürfte sicher nicht der Schrecken der Belagerung von Leyden, um die beiden Gatten völlig zusammenzuführen.

Zwar droht dem ehelichen Frieden noch eine audre Gefahr. Maria hat eiueu jungen Thüringer Edelmann, Georg von Dornbnrg, bei der Hochzeit ihrer Schwester kennen gelernt, und es ist zn dein Ansatz eines Liebesverhältnisses zwischen ihueu gekommen. Jetzt findet Georg, als englischer Söldner nach Lehden verschlagen, Maria als Frau wieder, und es regen sich in beiden die damals verschwiegenen Gefühle. Aber der»»bändige, mit allen Gaben (?) verschwen­derisch ausgestattete Jüngling" will uns keine rechte Gefahr für Maria scheinen. Fühlte sich die junge Frau um der Staatsgeschäfte willen, für die sie etwa keiu Verständnis hätte, von ihrem Gatten vernachlässigt und sehnte sie sich nach feuriger Liebe, dann möchte wohl ein solcher Fant ihrem innern Frieden ge­fährlich werden; aberdie Schülerin, ja die (siv) Frenndin des gelehrten Groot, die in: Verkehr mit hochgebildeten Männern herangewachsene junge Frau, die begeisterte Patriotin, die da fühlt, daß sie ihrem Gatte» mehr, weit mehr zu gewähren imstande sei, als er von ihr begehrt" für sie ist besonders unter den ernsten Zcitverhältnissen eiue solche Jugendliebe keine rechte Gefahr. Und zumal bei dem trotz seinerUnbändigkeit" ausnehmend ehrbaren Georg. Seine ganze Leidenschaft gipfelt ja in dem einen Wunsche, daß er Maria einmal sagen möchte, wie lieb er sie habe; und als sie es in Prosa nicht hören will, ver­sucht er es auf den, Wege der Poesie, zieht sich aber trotz des ungeheuer» Schwunges seines Gedichts eine tüchtige Abweisung zu. Denn bei Maria geht die Sache nicht sehr tief; steht doch ihr Schmerz darüber, daß sie von ihrem Gatten nicht verstanden wird, in keiner Wechselwirkung mit einein Fluten und Ebben ihrer Empfindungen für Georg. Nur daß der Brief ihres Gatten, der die Hochgespanuten Gefühle der jungen Frau bitter enttäuscht, die Erinnerung an das Liebesglück ihrer Schwester und damit das Bild des Freundes ihres

Grcnzliott'» I. 1882. 63