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Literatur.
Geschichte der Nationnlvkonvmik von H> Eisenhart, Professur nn der Universität Halle. Jeun, Gustav Fischer, 1881.
In dem mäßigen Umfange von 243 Seiten enthält dieses Bnch die wissenschaftlichen Anschannngen der Hauptvertrcter der Nationalökonomie in einer lesbaren, wenn auch die Kernpunkte nicht immer scharf hervorhebenden Darstellung. Als Zweck hat dem Verfasser vor Augen geschwebt, „der schwankenden Wisseilschaft in unsrer gähreudcn Zeit durch eine geschichtliche Darstellung eine Stütze darzubieten." Daß dieser Zweck erreicht werden kann, ist sicher; aber er kann nur durch eine kritische Betrachtung der geschichtlichen Entwicklung der Volkswirtschaftslehre erreicht werden, niemals durch eine bloß referirende, es sei denn, daß der Wissenschaftsdarsteller Leser voraussetzt, welche sich die Kritik und die „Stütze in der schwankenden Wissenschaft einer gährenden Zeit" selbst zu macheu wisse». In diesem Falle aber würde er sich selbst den Boden unter den Füßen wegziehen; sein Unternehmen würde den eigentlichen Zweck verloren haben.
Wir haben in Deutschland schon seit einem Jahrzehnt eine Kritische Geschichte der Nationalökonomie und des Sozialismus, und es will uus scheinen, als ob dieses uuu schon in dritter Auflage erschienene Werk (von Dühring) auf das vorliegende Unternehmen nicht ohne Einfluß gewesen wäre; nur das beste, die Kritik und die scharfe Sonderung des Sozialismns von der Nationalökonomie, ist ohne Nachahmung geblieben. Der Verfasser hätte wohl die Verpflichtung gehabt, sich mit dieser Kritischen Geschichte, die doch notwendigerweise zugleich eine „darstellende" ist, auseinanderzusetzen, statt sie mit Stillschweigen zu übergehen und sein Werk für den „ersten Versuch einer darstellende:! Geschichte" der nationalökonomischcn Theorien zu halten.
Uns Deutsche darf wohl — und besonders in gegenwärtiger Zeit — in erster Linie das Kapitel über Friedrich List interessiren, uud da freut man sich denn zn sehen, daß derselbe bei Eisenhart eine höhere Würdigung erfahren hat, als es in der Schule der „Nationalökonomik" sonst der Fall zu sein Pflegt. Der Kernpuukt ist freilich verfehlt, denn es dreht sich in Eisenharts Darstellung bei List alles nm den Schutzzoll. In Wirklichkeit spielte derselbe bei ihm aber die zweite Rolle, denn er war ihm Mittel zum Zweck, er sollte die Völker wirtschaftlich erziehen und somit nur ciue vorübergehende Bedeutung habcu. Wenn man sich einmal über Schutzzoll und Freihandel nicht mehr streiten wird, wird Lifts Nationalitätsprinzip und seine Lehre von den produktiven Kräften keineswegs an Bedeutung eingebüßt haben. Sie stehen also eine Stufe höher als der Schutzzoll, wieviel Geschütz sie auch im Kampfe zwischen Schutzzoll und Freihandel abgegeben haben.
Der besseren Würdigung Lists steht ciue große Überschätzung Noschers gegenüber. Der arglose Leser mnß denken, daß man in Znknnft beide Männer Wohl auf gleiche Stufe werde stellen müsseu, daß von beideu die Geschichte wohl gleich große wissenschaftliche Entdeckungen zu verzeichneu haben werde. Das ist nicht der Fall, nnd darum mußte der Unterschied für das Publikum handgreiflich gemacht werden, was durch die Bezeichnung „Literarische Bedeutung von Wilhelm Röscher" nicht geschieht.