Zwei Laustkommentare.
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nicht zu verkennen sei. Mit der Zeit wird sich wohl eine Allsicht allgemein festsetzen, die zwischen beiden Extremen die richtige Mitte hält.
Der Schwerpunkt der Schröcrschen Arbeit liegt in den fortlaufende» erklärenden Anmerkungen. Leider läßt er sich hier iu dem Streben nach Vollständigkeit von seinem philologischen Erklärungseifer zu weit fortreißen. Wenn er es sogar für nötig findet zu kommcntiren: „Mit Stroh dreschen wird vergebliche, fruchtlose Arbeit bezeichnet, da Stroh schon gedroschen ist und kein Korn mehr enthält," so können wir ihm den Vorwnrf nicht ersparen, daß er damit selber Stroh gedroschen hat. Er scheint uns denn doch seinen Lesern zu wenig zuzutrauen. So glaubt er Worte wie Ragout, Maxime, Fakultät?c. erklären zu müssen. Da fragt man sich, welches Publikum er eigentlich im Auge gehabt habe. Er spricht sich darüber nirgends aus. Unsern heranwachsenden Töchtern Pflegen wir doch den „Faust" nicht in die Hand zu geben, und sür ciue ersprießliche Lektüre dieses Gedichts ist doch außer der nötigen geistigen Reife auch ein gewisser Fonds allgemeiner Bildung und eine Summe gewöhnlicher Kenntnisse eine unumgänglich notwendige Voraussetzung. Die Voraussetzungslostgkeit von Schröers Kommentar fällt um so mehr auf, als sie in Kontrast steht mit der Einleitung, die keineswegs darauf berechnet ist, in zusammenfassender Übersicht den gebildeten Leser in das Ganze der Dichtung, die Geschichte der Sage :c. einzuführen, sondern sich mehr an ein gelehrtes oder wenigstens mit den einschlagenden Fragen bereits vertrautes Publikum wendet und nur einige wichtigere Punkte erörtert. Schröers ausdrücklich betonte Absicht, keiner Schwierigkeit aus dem Wege gehen zu wollen, ist ja an sich durchaus lobenswert. Aber viele seiner Erklärungen sind weiter nichts als entbehrliche prosaische Umschreibungen der Dichterworte. Hierin geht er entschieden zu weit.
So können wir z. B. auch nicht zugeben, daß der Satz:
Was du ererbt von dciuen Vätcru hast, Erwirb es, um es zu besitzen
„eigentlich unverständlich" sei und erst durch Parallelstellen aus andern Gvethischeii Werken klar werde. Allerdings klingt er paradox, aber ein Paradoxon ist doch noch nicht unverständlich. Man brancht die juristische Unterscheidung zwischen Eigentümer und Besitzer, auf die Schröer Hütte hinweisen sollen, gar nicht einmal präsent zn haben, nm sofort zu fühlen, was der Dichter sagen will, und was er im zweiten Teile etwas anders gewendet mit den Worten ausdrückt: „Nur der verdient sich Freiheit und das Leben, der täglich sie erobern muß." Wir habe» nichts dagegen, wenn man jene Parallelstellcn herbeizieht, um nachzuweisen, wie Goethe zn einer bestimmten Zeit sich gerne in emem gewissen Jdeenkreise bewegt habe. Es ist dies ja lehrreich genng. Nur soll mau nicht den Vorwnrf der „Uuverstäudlichkeit" gegen ihn erheben. Denn ein Vorwnrf wäre es. Ein andres ist es, ob dem Verständnis nachgeholfen werden kann und muß bei vorhandener Zweideutigkeit des Ausdruckes, oder durch Aufdeckung von Beziehungen,