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Zwei Faustkommontare,
der ganzen Szenen. Charakteristisch für das Buch nnd in der Faustliteratur wohl ziemlich einzig dastehend ist die dabei geflissentlich zur Schau getragene Verachtung aller Gelehrsamkeit. „Man kann bei dieser Szene noch viele gelehrte Bemerkungen machen, die mehr oder weniger überflüssig sind" sagt er ablehnend. Ganz absichtlich verschmäht er es, ans die Erläuterung von Realien einzugehen, indem er beispielsweise erklärt: „Wir wissen genug von Salomvnis Schlüssel, weun wir ihn in der Beschwöruugsformel betrachte», die Faust hersagt." Und wo er doch einmal von dieser Regel abweicht, entschuldigt er sich gewissermaßen mit den Worten: „Da muß ich auch einmal eine gelehrte Anmerkung machen."
Da wir im Gegensatz zn Marbach meinen, daß von der streng sachliche» Erklärung zunächst ausgegangen werden müsse, um zu der konkreten Anschauung des Dichters zu gelangen, daß letzterem aber nichts ferner gelegen habe, als im „Faust" ein in sich übereinstimmendes, in allen Stücken konsequent durchgeführtes philosophisches System niederzulegen, so vermögen wir dem Kommentator, wo er nun in den Gcdaniengehalt tiefer eingeht, meistens nicht zu folgen. Seine Philosophie legt er in die Worte des Dichters hinein nnd sucht letztere ins Allgemeine zu erheben. So sieht er gleich in der Zueignung, um ein Beispiel anzuführen, eine „Prototype (urbildliche) Schilderung der Genesis jedes wahren Dichtwerkes," die darin bestehe, „daß der Wahn des jugendlichen Menschen, nachdem er alle Phasen der Entwicklung von der Subjektivität des Dichters bis zur Objektivität des vor der Menschheit hingestellten Kunstwerkes durchgemacht, schließlich als Wirklichkeit offenbar wird." Damit verflüchtigt der Kommentator die rührenden Empfindungen des alternden Dichters, der bei Vornahme seiner ihm fremd gewordenen jugendlichen Dichtung mit Wehmut erster Liebe und dahingeschwundener Freunde gedenkt, ins Wesenlose und sieht nicht, wie er durch diese kahle» Abstraktionen zugleich den Zauber zerstört, mit dem der ergreifende poetische Ausdruck dieser allgemein menschlichen Gefühle gleiche Gefühle in uns anklingen läßt.
Die Beschwörung des Erdgeistes legt Marbach sich folgendermaßen zurecht. Das geheimnisvolle Zeichen und der Name des Erdgeistes ist — Faust! Das Gespräch, das Faust mit demselben führt, ist — ein Selbstgespräch! Um dies zu erweisen, erzählt nns der Verfasser einen abergläubischen Spuk, „wenn auch nicht um zu zeigen, was Goethe bei der Erscheinung des Geistes sich gedacht habe, sondern was ich dabei mir denke, wenn ich sage: Der Name des Geistes sei Faust." Weil nun Mephistvpheles später verrät, in jener Szene, wo der Erdgeist erschien, zugegen gewesen zu sein (d. h. er zeigt nur Kenntnis vvn Fausts Selbstmordversuch), so ist der Erdgeist zugleich — der Teufel, der auch sonst der Fürst dieser Welt heißt. Fausts Furcht vor dem Erdgeiste, d. h. vor dem eignen Geist, erklärt sich so ganz natürlich daraus, daß der Meusch iu seinem eignen Geiste einen bösen Geist, den Teufel, erblickt. Bei diesem Rattenkönig