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Was ist die Revolution? Offenes Sendschreiben an Herrn Geheimen Justizrath Stahl.
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gewählter Schulze. Ans diesem Grunde haben wir auch am Königthum festge­halten und haben in das Königthum die Vollgewalt aller staatlichen Functioneu gelegt. Freilich haben wir das Königthum nicht auf die Person des Königs ein­geschränkt, wir haben es nicht von den übrigen staatlichen Institutionen getrennt, wir haben unter der Sonverainetät des Königs nicht die Willkür verstanden, zu thun und zn lassen, was er Lust hat, wir haben in ihm die Quelle, aber nicht die volle Ausübuug aller staatlichen Functivnen gesucht, weil eine solche Vollständigkeit etwas Unmögliches ist.

Obgleich wir also an dem Begriff der Volkssonverainetät nicht hängen, und obgleich wir die Autorität als eiuen nützlichen Hebel des StaatSlebcns gern gelten lassen, stehen wir' doch mit unsrem Princip dem Ihrigen in unvermittelter Feind­schaft gegenüber.

Sie wünschen die Existenz einer Autorität, über deren Ursprung mau nicht reflectiren darf, und Sie glauben dieselbe dadurch sicher zu stellen, daß Sie ihr einen göttlichen Ursprung beilegen. Aber wem in aller Welt wollen Sie die Göttlichkeit dieses Ursprungs einreden? wenn Sie damit einen andern Sinn ver­binden, als den ganz allgemeinen der göttlichen Weltregiernng überhaupt, der sich auf das Kleinste eben so erstreckt wie ans das Größte. Wir kennen die Entstehung unsrer Staaten historisch ganz genau; wir wissen, wie sie durch Kaufverträge, durch Heirath, durch Austausch, durch Eroberung entstanden sind, wir haben die Kritik jedes einzelnen dieser Ereignisse in der Haud und müssen es als eine Ver­höhnung des Göttlichen betrachten, wenn jedem dieser Ereignisse das Prädicat des specifisch göttlichen Ursprungs beigelegt werden soll. Es giebt gegenwärtig in der ganzen civilistrten Welt nur eine Macht, die sich in der Tradition bis zn der unmittelbarem Erscheinung Gottes fortführt und deren Ansprüche wenigstens von einem Theil Europas anerkannt werden; aber. Sie, geehrter Herr, gehören der protestautischcu Kirche an, und diese läuguet die Tradition, längnet den gött­lichen Ursprung des Papstthums. Unsre deutschen Staaten dagegen beruhen ans sehr menschlichen Grundlagen, z. B. ans dem Kaufcvutract mit Kaiser Sigismnnd, auf den schlesischen Kriegen, ans dem Wiener Kongreß, in welchem letztem wohl Sie selber kaum das Walten des heiligen Geistes wieder erkennen werden. Und ist denn diese Fiction anch nöthig, nm die Majestät des Königthums und die Autorität aller wenigstens der Form nach vom Königthum hergeleiteten Staatsgewalten sicherzustelleu? Die Majestät des Königthums beruht einmal auf dem Gefühl von dem Geist der Ordnung, Konsistenz und Sittlichkeit, der in dem Staatsganzen waltet und als dessen Träger und Symbol man das Königthum verehrt; sie beruht ferner auf der sehr realen Gewalt, die man in seinen Händen weiß nud deren Wiederscheiu man nicht erst von einem überirdischen Lichte her­leiten darf; sie beruht endlich in dem stolzen Gefühl jedes Einzelnen, einem ruhm­reichen Staat anzugehören, dessen Geschichte an die Geschichte des Königthums

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