Bnlow in Rom
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britischen Macht, für die peinliche Empfindlichkeit jeder österreichischen Balkanpolitik usw. besaß Bcthmann nicht. Dafür verließ er sich auf die Fingerspitzen des Staatssekretärs v. Jagow, früheren Botschafters in Rom, der als Specialist ans der Bülowschule galt. Die in den Jahren 1912 bis 1914 verbesserten Beziehungen zu England und Italien machten Jagow und Bethmann sicher bis zur Fahrlässigkeit uud unbewußten Tollkühnheit. Wie sie ihre englische Politik von 1912 bis in den August 1914 auf vage Sentimentalitäten ohne Gefühl für Interessen und Machtverhältnisse gründeten, hat Tirpitz in seinen „Erinnerungen" geschildert, die hente noch immcr^ die einzige geschichtlich brauchbare Darstellung der deutsch-cnglischeu Beziehungen vor dem Kriege sind. Das genaue Gegenstück dazu ist die Jtalienpolitik Bethmanns und Jagows, deren Schwäche an dem römischen Botschafter Flotow so wenig ein Korrektiv finden konnte, wie an dem Londoner Lichnowsky. ,
Italien hat, das ist heute allgemein zugegeben, den Drcibundvcrtrag dem Buchstaben nach nicht gebrochen, sondern Bcthmann ihn, ohne es unbegreiflichcr- wcise zu bemerken, entwertet. Nach K 7 des Dreibundvertragcs garantierten sich die Verbündeten den swtus c>uc> auf dem Balkan und verpflichteten sich, den Verbündeten vor jeder Aktion in Kenntnis zn setzen, ferner bei etwa eintretenden Machtvcrschiebungen dem anderen Teil eine entsprechende Kompensation zu gewähren.
Dies war das eine diplomatische Faktum, das jede deutsche Politik be-, achten mußte. Der zweite Angelpunkt war die rein defensive Natur des Dreibuird- vertrages. Nur zur Hilfe in Verteidigungskriegen, nicht in Angriffskriegen waren die Bundesgenossen verpflichtet. Es widersprach deshalb dem Dreibuud nicht, daß Italien durch Prinetti nach der Art des Bismarckschen Rückvcrsichc- rungsvertrages ein Geheimabkommen mit Frankreich geschlossen hatte, wonach es sich verpflichtete, an keinem Angriffskrieg gegen Frankreich teilzunehmen.
Da wir im Juli Österreich zu einer Machtverschiebung auf dem Balkan behilflich waren, ohne Italien zu benachrichtigen und ihm Kompensationen anzubieten, da Bethmann ferner unbegreiflicherweise trotz Tirpitz' Warnung") Frankreich formell den Krieg erklärte nnd unsern Verteidigungskrieg damit der Form nach zum Angriffskrieg stempelte, so war Italien den Verträgen nach berechtigt, neutral zu bleiben. Den: deutschen Volk die angebliche Treulosigkeit Italiens mit sittlicher Entrüstung vorznmaleu, gab den Dilettanten der Wilhclmstraße zwar die Möglichkeit, ihre eigenen Fehler zu verschleiern, war aber nicht nur ungerecht, sondern Log auch die Aufmerksamkeit von der Hauptfrage ab. Denn es blieben Vom August 1914 bis.zum März 1915 noch sieben Monath während deren der schwere Fehler, welcher bei der Eröffuung der serbischen Aktion begangen worden war, noch einmal ausgeglichen und das vom Wiener Hochmut freilich unterschätzte, damals aber tatsächlich für Deutschlands Schicksal ausschlaggebende Gewicht Italiens von der Berührung mit der feindlichen Wagschale zurückgehalten werden konnte.
Nach dein Versagen der Wilhelmstraße und Flotows im Juli und August rief jeder Einsichtige nach Bülow, von dein bekannt war, daß er sich niemals den, Vaterland entzöge, wenn er gerufen würde. Aber dieser Ruf drang nur
v. Tirpitz, Erinnerungen Kap. 16.