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Offenherzigkeiten
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Offenherzigkeiten

Schicksal der Warren Hastings und Genossen geteilt. Regierung und Unterhaus verurteilten ihn, um das Gesicht zu wahren und den lauschenden Völkern die Über­zeugung beizubringen, Großbritannien billige keine Grausamkeiten und Schurkereien, die im Reichsinteresse begangen wurden. Tatsächlich aber und mit dem Herzen tritt John Bull allemal hinter seine Pioniere. Auch für Dyer regnet es in England Sympathieerklärungen, und ein General-Dher-Fonds ist gegründet worden. Der General zählt offenbar zur Art jener handfesten Politiker, aus deren Mitte lange vorm Kriege gelegentlich der Vorschlag gemacht wurde, eines schönen Premieren­abends alle Berliner Theater zu umstellen und keinen lebendig hinauszulassen. Deutsch­land habe dann endlich Ruhe. Die schlimmsten Zerstörer und Vernichter des öffent­lichen Geistes, nämlich die Journalisten und Literaten, seien erledigt. Was bei uns nur als tolle Groteske aufflatterte, hat Dyer mit soldatischer Gradheit verwirk­licht. Und Sir Edward Carson, der Ulstermann, dankte ihm im Namen der Nation: durch Dyers Eingreifen sei Indien vielleicht vor einem Aufstand bewahrt geblieben, denn Amritsar sei der Vorläufer der Revolution gewesen.

Parlamentarismus ist eine ausgezeichnete Sache, wenn er den Nationalstolz bis zur Gaurisankarhöhe aufpeitscht und die gewaltige Illusion vom auserwählten Volke Gottes nährt, das auch mordend und brennend, plündernd und stehlend noch Jehovahs himmlischem Willen tut. Und gerade dann tut. Der englische Parla­mentarismus erhält das Räuberreich in Ewigkeit, während er gleichzeitig, dank der wundervollen Einrichtung des Spiels mit verteilten Rollen, sämtliche Banner der Humanität aufreckt und das strenge britische Gerechtigkeitsgefühl bengalisch be­leuchtet. General Dyer auf Halbsold, aber die Toten von Amritsar mucken sich nicht mehr, denken an keine Verschwörung mehr.

Welche Gnade Zebaoths, daß wir vor einein solchen Parlamentarismus ver­schont geblieben sind und den richtigen, chemisch reinen besitzen, mit fünfzehn bis zwanzig Parteien, die sich ernsthaft, bis aufs Blut, befehden, lieber das Vaterland zugrunde gehen lassen als die Partei, und zu einem heuchlerischen, wenn auch recht profitablen und das Reich unbezwinglich-herrlich machenden Komödienspiel nach Londoner Muster nie zu haben wären!

<üum Infamie

Vom Pariser Kongreß der Chirurgen, der aus allen Teilen der Welt be­sucht war, sind die deutschen und österreichischen Chirurgen aus der Inter­nationalen chirurgischen Gesellschaft ausgeschlossen worden. Eine Tagesordnung unterstrich besonders diegemeine Handlungsweise", der sich die deutschen Chirurgen während des Krieges schuldig gemacht haben sollen. Bei uns hat eine chirurgische Oberinstanz den Beschluß und seine Begründung alsInfamie" bezeichnet. Chirurgen sollten nicht mit dem Messer aufeinander losgehen, sondern einsichtsvoll erkennen, daß der Pariser Beschluß nichts als die wissenschaftliche Ausstrahlung des Völkerversöhnungs- und Völkerbundsgedankens ist, wie er sich Wilson darstellte und wie unsere gesamte maßgebende Presse ihn bereits im Oktober 1918 mit Begeisterung begrüßt hat. Im übrigen erscheint die beleidigende Schärfe der chirurgischen deutschen Ausdrucksweise geeignet, dem A. A. neue internationale Schwierigkeiten und Sorgen zu bereiten. Dabei hat es sich bis heute noch nicht über die schlechte Kleidung und die Mütze beruhigen können, in der die Reichswehrtruppe der geentert gewesenen Trikolore Reverenz erwies. Wie bei solcher Aufsässigkeit des deutschen Volkes aller Schichten auswärtige Politik gemacht und in Genf weitereenorme aufbauende wirtschaftliche Arbeit" geleistet werden soll, wird nicht nur Herrn Dr. Simons ein Rätsel sein. Mulay Hassan