ZVeltspiegel
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Generation unter den politischen und geistigen Versäumnissen ihrer Vorgänger zu leiden. Umsomehr aber hat sie die Pflicht, selbst an die Arbeit zu gehen, die ihr damit gestellt ist. Sie muß den Mut und die Kraft besitzen, sich selbst die Formen zu geben, die sie befähigen, in veränderter Zeit die Aufgabe zu erfüllen, die nur dem Gebildeten zufaSen kann: die geistige Führung zu übernehmen. Und wie die alte Burschenschaft es gewagt hat, ohne Bruch mit der Vergangenheit doch Veraltetes und Überlebtes rücksichtslos abzustoßen, so wird auch die heutige Generation ihr Werk mit strenger Prüfung der aus alten Zeiten stammenden Sitten und Gebräuche beginnen müssen. Wohl müssen wir Lebenden die Hoffnung auf eins Versöhnung der Klassengegensätze aufgeben, nachdem der erneute Bürgerkrieg der letzten Wochen deren Schärfe wieder gezeigt hat. Das entbindet uns, das entbindet vor allem die heranwachsende Generation nicht von der Pflicht, sich Verständnis für die Kräfte der neuen Zeit zu erwerben. Die Pflege der Tradition darf niemals die schaffende und gestaltende Kraft erdrücken. Auch heute möge die Studentenschaft das Wort beherzigen, in das der Sprecher der Burschenschaft bei dem Wartburgfest von 1317 die Aufgabe der damaligen Zeit zusammengefaßt hat, dem Volke zu zeigen, „was es von seiner Jugend zu hoffen hat, welcher Geist sie beseelt, wie Eintracht und Vrudersinn von Uns geehrt werden, wie wir ringen und streben, den Geist der Zeit zu verstehen, der mit Flammenzügen in den Taten der jüngsten Vergangenheit sich uns kund tut".
Weltspiege!
Der türkische Friedensvcrtrag. Am 11. Mai ist einer Delegation aus Konstantinopel der endlich in San Nemo nach bewegtestem „ Hin und Her und auch diesmal wohl nur unter dein Druck der immer mächtiger werdenden anatolischen Nationalistenbewegung und des bolschewistischen Vordringens nach Transkaukasicn fertig gewordene Friedensvertrag mit der Türkei überreicht worden. Da seine wichtigsten Bestimmungen in der Tagespresse meist ganz ungenügend angedeutet worden sind, seien sie hier noch einmal in kurzen Zügen wiedergegeben. Der Vertrag beginnt mit Berührung derjenigen Frage, die die Gemüter seit Monaten am meisten erhitzt hat und die in der Tat, wenn auch nicht für die Türkei, doch für die Entente die Kernfrage ist: des Besitzes von Konstantinopel. Gnädig und salbungsvoll trieft es also auf die Aschenbrödel der Friedens- Verhandlungen hinab: die Parteien erklären sich mit der Aufrechterhaltung der türkischen Oberhoheit über Konstantinopel einverstanden, jedoch (I) unter der Voraussetzung, daß die Türkei den Vertrag auch beobachtet, ebenso wie seine Modifikationen bezw. Zusätze betreffs des Schutzes der Minderheiten. Die Türkei verpflichtet sich, alle diesbezüglichen Vorschläge anzunehmen. Die Türkei muß sich demnach verpflichten, einen Vertrag zu beobachten, der eigentlich noch gar kein rechter Vertrag ist, sondern in sehr einschneidenden Punkten einer Ergänzung bedarf, von der nach den bis jetzt erhaltenen Proben östlicher Ententediplomatie noch kein Mensch auch nur annähernd sagen kann, wie sie ausfallen wird.
Nach diesem viel versprechenden Anfang heißt es dann weiter: die Meerengen werden für Kriegs- und Handelsschiffe sowohl im Frieden wie im Knege offen gehalten. Verwaltet werden sie von einer Kommission aus je einem
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