Beitrag 
Die religiösen Elemente des Kommunismus
Seite
271
Einzelbild herunterladen
 

Die religiösen Llemcnte des Kommunismus

271

Handensem im Erfurter Programm darf über die Tatsache nicht täuschen, das? der konsequente Marxismus eine streng an Dogmen gebundene, klerikale Weltanschauung ist, die nichts neben sich duldet, was gleichwertigen Rang beansprucht. Heute fordert man eine Schule, die in Weltanschauungsfragen neutral sei. Eine solche Schule ist nur für liberale Köpfe möglich. Die konfessionellen Weltanschauungen können sich nur eine Schule auf dem festen Boden ihres Glaubens denken. Darum fühlen die konfessionellen Christen ganz richtig heraus, dasz dieweltliche" Schule der Sozialdemokratie eine sozialistische, marxistische, antichristliche Schule werden wird. Denn der Sozialismus ist als Konfession nur auf dem Papier Privat­sache, in Wahrheit öffentliche Sache, Volkssache, Sache der Kulturgemeinschaft, wie die kirchlichen Konfessionen auch.

Die Mehrheitssozialdeiuokratie von heute ist nun freilich noch weit stärker verliberalisiert und verbürgerlicht als das Erfurter Programm. Schon die Revisionisten waren Ungläubige, richtige Ketzer; die gegenwärtigen sozialdemokra­tischen Führer sind demokratische Politiker, volkswirtschaftliche Sozialisten, aber sie sind nicht mehr Gläubige, die mit dem Zukunftsstaat eine Art von Paradies­hoffnung verbinden. Aber in den Massen des Proletariats steckt noch tiefe seelische Not und viel Erlösungsbedürfnis. Tritt die Predigt des Sozialismus an sie in der Fvrm eines Evangelimus. einer ekstatischen Verheißung heran, dann sind auch die demokratisch und gewerkschaftlich erzogenen Arbeiter von heute noch jener gläubigen Inbrunst fähig, mit der die verelendeten Textilarbeiter des sächsischen Gebirges vor fünfzig Jahren August Bebel zuhörten, wenn er zu ihnen von der Zukünftigen Herrlichkeit der sozialen Republik sprach. Heute hat, von der Kriegsnot großgezogen, der Bolschewismus und Kommunismus das marxistische Evangelium erneuert.. Die Glückseligkeitshoffnung, die leidenschaftliche Sehnsucht nach Erlösung bleibt die innerste Triebfeder der ganzen Arbeiterbewegung. Nicht aus der Organi- sation der Gewerkschaften oder politischen Parteien wächst die tiefste Kraft des Sozialismus, sondern aus der Begierde der Menschenseele, der Proletarierseele, "ach glücklichem, befriedigendem Dasein.

Das Christentum halte die Erlösung ins Jenseits gelegt: dort werden alle Tränen getrocknet und alle Seufzer gestillt. Geläuterte religiöse Erkenntnis hatte eingesehen, daß das Elend des Menschentums nicht allein und längst nicht haupt­sächlich in seinen materiellen Nöten begründet ist, und daß irdisches Wohlergehen eben durchaus keine wahre Erlösung ist. Aber schon im christlichen Proletariat sehr früher, wohl bis zu den Tagen der Apostel zurückreichender Zeiten, war doch wmer das Bedürfnis auch nach irdischem Wohlergehen sehr stark, zumal schon der jüdische Messiasglaube dieses verhieß. So entstand der christliche Chiliasmus, die Lehre vom tausendjährigen irdischen Reich des wiedergekehrten Heilands und Königs der Armen Christus. Bei den christlichen Chiliasten folgt dann allerdings auf das irdische Paradies noch das himmlische, aber von dem hat man längst '"cht so glühende Vorstellungen, wie vom Messiasreich auf Erden, wo die materielle Not ein Ende hat, und die Armen mit Christus herrschen können über die Bösen, die Reichen, über alle Bedränger und Bedrücker. Nun hat die geistige Entwicklung des abendländischen Europa mit dem Ende des Mittelalters dahin geführt, daß die Gebildeten in eine kritische Stellung zum Christentum geraten »der ihm ganz entfremdet sind. Die Rückwirkung aus das Proletariat mußte sein