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Mitteilungen der Deutschen Volksräte Posens und Westpreußens, Nr. 22
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Kleine Mitteilungen

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Die Verhandlungen der Reichsregierung mit Polen.

Wir hatten kürzlich die Mitteilung gebracht, daß die verbundenen und Verbündeten Re­gierungen unter der Bedingung ihrer Teil­nahme alsGaranten des Friedensvertrages" unmittelbaren deutsch-polnischen Verhand­lungen ihre Zustimmung gegeben hätten.

Gegenstand der Verhandlungen ist der gesamte Umfang der Politischen, wirtschaftlichen und Verkehrsfragen, die mit der Übergabe verbunden sind. Von deutscher Seite wird besonders für den Schutz derjenigen Deutschen eingetreten, die sich nach dem 1. Januar 1908 innerhalb der abzutretenden Gebiete angesiedelt, die polnische Staatsangehörigkeit aber nicht erworben haben und durch den Friedensver­trag in ihren Besitzrechten gefährdet sind.

In der gestrigen Abendausgabe waren die einzelnen Vertreter der Verbandsmächte namentlich aufgeführt. Auch Japan ist ver­treten, während Amerika an den gestrigen Verhandlungen nicht teilgenommen hat. Die Ernennung des Generals Dupont zum Ver­treter Frankreichs ist der Neichsregierung bis­her nicht notifiziert worden. Gestern war Frankreich durch einen Hauptmann vertreten.

Die Verhandlungen wurden vom Unter­staatssekretär von Hantel eröffnet; er betonte, daß die deutsche Regierung schweren Herzens an die Verhandlungen über die Gebiets­abtretungen herangehe. Der Zweck der Ver­handlungen sei, eine tragfähige Verbindung Zu schaffen, welche die beiden Nachbarvölker befähige, in Frieden und unter Berücksichtigung der gegenseitigen Interessen miteinander zu leben. Deutschland sei bor allem an einer loyalen Behandlung derjenigen deutschen Staatsangehörigen gelegen, die sich in den abzutretenden Gebieten befänden. Von polnischer Seite sprach daraufhin der Unter- staatsselretär Dr. Wroblewski, der bor allem die Absicht Polens betonte, die Deutschen in den abzutretenden Gebieten mit voller Loyalität zu behandeln. Etwas anderes sei nach den freiheitlichen Überlieferungen Polens nicht SU erwarten. Daraufhin nahm das Wort der italienische Delegierte Bencivenga als der älteste Vertreter der Verbandsmächte. Er sprach in herzlicher Form seinen Dank für °>e Einladung zu den Verhandlungen aus.

Seine Ansprache in Italienisch gehalten wurde ins Französische übertragen. Von polnischer Seite wurde Polnisch, von deutscher Seite deutsch gesprochen ebenfalls unter späterer Übersetzung ins Französische.

Die gestrige Sitzung beschränkte sich auf die gegenseitige Begrüßung. Eine Fortsetzung der Verhandlungen wurde für heute angesetzt. Es ist wahrscheinlich, daß, entsprechend den Gruppen von Fragen, die erledigt werden müssen, drei Ausschüsse gebildet werden, und zwar ein politischer, ein zweiter für die Aus­einandersetzung der öffentlich-rechtlichen Ver­bände, so der Kommunal- und Landesver­sicherungsverbände, ein dritter endlich für die Verkehrs- und Wirtschaftsfragen. Bei der Masse des zu bearbeitenden Materials wird jede einzelne Kommission voraussichtlich noch Unterausschüsse bilden.

Bei den Verhandlungen wird von deutscher Seite auch die Amnestiefrage in den Vorder­grund gerückt werden, d. h. vor allem die Entlassung der deutschen Internierten und Gefangenen, wobei hervorgehoben wird, daß es Polnische Zivilgefangene auf deutscher Seite nicht mehr gibt, sondern daß diese schon längst entlassen sind.

Die Reichsregierung hat eine größere Anzahl Vertreter und Sachverständige zu den Verhandlungen zugezogen. Wir nennen u. a. die beiden Bürgermeister Mitzlaff-Brombcrg, Hasse-Thorn, den Zentrumsabgeordneten Dr. Fleischer, den Staatskommissar Hörsing, Professor Hötzsch von der Berliner Universität, als Vertreter des deutschen Volksrates in Posen Dr. Scholz und Regierungsrat Brose, die Oberpräfidenten Philipp aus Breslcm, Schnackenburg aus Danzig, den Regierungs­präsidenten von Bülow aus Bromberg, Reichskommissar Winnig, Stadtforstrat Löwe- Thorn.

Durch diegroße Anzahl der hinzugezogenen Sachverständigen und Jnteressenvertreter dürfte den Wünschen und Bedürfnissen der in Betracht kommenden Bevölkerungskreise durchaus Genüge geschehen. (Dtsche. Allg.Ztg."Nr.385,12. August 1919.)

Die Agrarreform in Polen.

Der Beschluß des gesetzgebenden Landtags über die Agrarreform in Polen vom 10. Juli