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Das werdende Rußland : Hetman Pawlo Skoropadski
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Das werdende Rußland

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Tat verlor Skoropadski bei seinen Obersten jede Autorität, die schließlich seinen Weisungen überhaupt nicht mehr folgten. Die zarischen Günstlinge erschwerten ihm sein Amt durch Übergriffe, und als er sich z. B. über Menschikow beschwerte, weil er sich widerrechtlich Land in der Ukraina aneignete, bekam er kaum eine ausweichende Antwort.

In seiner großen Not fand seine Gemahlin Anastasicr, nach den Worten Ssolowjows die erste Kleinrussin, der es vergönnt war, in ihrem Hause die Würdenträger und alle einflußreichen Kreise aus ganz Rußland bewirten zu dürfen, einen Weg, der geeignet erschien, die Stellung des Hetmcms wenigstens äußerlich wieder aufzurichten. Sie verheiratete ihre Tochter mit dem Sohn des im Peters» bürg mächtigen kaiserlichen Beamten P. A. Tolstoj. Die Rechnung erwies sich als falsch. Denn bei allen den Schwierigkeiten, die ihm bereüet wurden, ging es garnichtumdiePerson Skoropadski, sondern um die Einrichtung der Hetmcmwürde als solcher. Jener Trebinski, der gelegentlich in der Weinlaune ausrief:Denke daran, mein Lieber, daß Eure Kosakenherrlichkeit bald vorüber ist, vom Hetman bis zum SotnikI Als Vorgesetzten werden Euch ausschließlich Fremdstämmigebestelltwerden"! er­kannte die tatsächliche Lage entschieden klarer. Die Hetmanwürde sollte ebenso wie andere Sonderheiten der Kosaken beseitigt werden, und dazu war Iwan Jljitsch gerade die Persönlichkeit nach dem Herzen des zielbewußten Selbstherrschers aller Reußen. Als Skoropadski 1722 nach Moskau kam, um, den Zaren zum Frieden von Nystadt zu beglückwünschen und ihn dabei trotz allem wieder an die Statuten für die Ukraina erinnerte, erhielt er den Ukas von der Einrichtung desKlein- russischen Kollegiums", eines moskowitischen Verwaltungsapparates, unter Leitung des Kommandeurs und von sechs Stabsoffizieren der russischen Besatzung in der Ukraina. Am 3. Juli 1722 starbder letzte Hetman der freien Republik Ukraina" zu Gluchow, und es endete damit nach den Worten eines russischen Chronisten das traurigste Jahrzehnt eines Jahrhunderts ukrainischer Geschichte.

Lassen wir die zweihundert Jahre zurückliegenden Geschehnisse beim auf­merksamen Studium der ersten Regierungsakte des neuen Hetman wieder aus der Vergessenheit emporsteigen, und stellen wir fest, daß diese Akte durchaus im Stil und in dem kühlen Geiste der Reformgesetze der Zeit von 1904 bis 1907, der Zeit von Bulygin, Durnowo, Stolypin gehalten sind, drängt sich uns förmlich die Erkenntnis auf, daß hier nicht ein ukrainischer Nationalist zu seinem Volke spricht, sondern der Abgesandte des zertrümmerten Moskowiter Staates zu Angehörigen Rußlands. Die Schnelligkeit, mit der das Staatsgrundgesetz veröffentlicht werden konnte, deutet darauf hin, daß es von langer Hand vorbereitet, bereits vorlag, als Skoropadski nach Kijew kam. Skoropadski ist kein Usurpator aus eigner Macht. Er sagt selbst, daß ervorübergehend" die Macht in die Hand zu nehmen beabsichtige. Man vergegenwärtige sich neben dieser Feststellung die Herkunft und den Lebenslauf des Hetman. Von dem künstlichen Glänze und dem Reichtum, den Iwan Jljitsch und spätere vorteilhafte Verbindungen der Familie Skoropadski hinterlassen haben, ist im Laufe der zwei Jahrhunderte, die seit Mazeppas Sturz vvrübergerauscht sind, nur wenig übriggeblieben. Sie versanken im Alltag des russischen Gutsbesitzer, und Beamtenlebens. In den großen historischen Augen- blicken des russischen! Volkes begegnen wir dem Namen Skoropadski nicht. Weder im Heere noch in der Verwaltung, noch in den Reformkreisen der