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nicht zu behebenden kleinen Schwierigkeiten des Magens und des gegen Nässe nnd Kalte zu schützenden Körpers in das Gcfüge der staatlichen Organisationen hineinkriechen und selbst vor den ehrwürdigen Gestalten der organisierenden Senatoren nicht Halt machen. Dabei lernt Beamter und Laie die wichtigsten Wahrheiten dieser Zeit, die keine Präzedenzfälle kennt und über die nichts bei den Akten liegt:
Der eingeseifte Ningelschwanz einer fliehenden San ist leichter zu fassein als die Probleme, die diese Zeit täglich unerwartet stellt. Die vorhandenen und noch zu schaffenden bureaukratischen Organisationen werden zwar dieser Probleme nicht Herr werden, sie werden aber auch den guten Ausgang des Krieges nicht SU hindern verwögen, so wenig wie die Gesetzgebung die zur täglichen Gewohnheit gewordenen kleineren oder größeren Rechtsverletzungen noch beträchtlich zu steigern vermag. Wenn es auch gelingen mag, durch Vermehrung der Papiererzeugung die Zahl der Darstellungen der allein uud unfehlbar zum schnellen und guten Frieden führenden Wege zu erhöhen, so wird dies den Krieg doch nur unwesentlich verlängern können.
Ihr
Berlin, den 10. März 1918. Nemo
Die Parteien und die Zukunft unserer Regiernngsform
nsere Sprache ist stets nur ein unvollkommenes Hilfsmittel gewesen, die ewig veränderlichen und vielseitigen Formen der Erscheinnngswelt verständlich zu machen. Die Begriffe und Woite, mit denen sie arbeitet, gleichen Lampen, die eine geistige Wegstrecke erhellen sollen, oft aber nur trüben Schein verbreiten oder geradezu wie Irrlichter wirken. . Mit dieser gewissermaßen „gegenständlichen" Fehlerguelle verewigt sich die Vorliebe des Sprechenden für das begu-mie Zeit und Überlegung sparende Schlagwort, um die Differenz zwischen Abbild und Urbild zu verstärken. Das „stenographische" Denken ist auch auf politischem Gebiete beliebt, wo die Kürznnq der Formel am allerwenigsten paßt; nur erleben es taglnglich an den in ihrer Monotonie ermüdenden inneren Fehden- mit Bezeickmungen wie ..Vaterlandspartei" oder „Neuorientierung" Z- B, läßt sich m der Tat „trefflich streiten" und manch „^System bereiten". ^ ^ >. ^ ^
Im Schattenreiche der politischen „Ismen" steht gegenwärtig der Parlamentarismus" an erster Stelle. Seit dc>S Zeitalter der absolutistischen Kronen vor dem aussteigenden Gestirn von 1789 versank, hat die Tatsache der genosscn- 'chaftlichen Kraftentfaltung im staatlichen Leben verschiedene Parolen gehabt. ?on den amerikanischen „clecu-nations ok riMs«. den franzosischen „cleLlamtions 6es cli-oits cie I'liommL et clu eitlen" führt eine m ihrer begrifflichen Verengerung und Verfeinerung deutlich erkennbare Linie über die „Konstitutionen" neunzehnten Jahrhunderts zu jenem Modeworte insbesondere der deutschen Gegenwart
^ „Parlamentarismus", so heißt die letzte, die entscheidende Wegmarke der »Neuorientierung", nnd folgerichtig läßt man die sogenannte N> ichstagsmehrheit, als deren Anhänger geineinsam die gewiesene Straße ziehen. Denn man täuscht sich Über die Harmonie. Wie nach außen, in der Frage der Kricgsziele. der 6'^ede,!smehrheitsblvck deutliche Nisse zeigt (Äußerungen der „Germania" und ?Me schüfe Absage des jüngeren Spähn an die traditionelle Bethmann-PoliNk ^ „Tag" beweisen das), sv strebt auch im Inneren das parlamentarische Vier- Gespann auseinander.
Schon hierbei macht das vereinfachende Verfahren des Formeldenkens Bankrott. Einer geschichtlichen Betrachtung allerdings keine Überraschung. ^