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Mehmed Emin als Volkserzieher
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Mehmed Emin als Volkserzieher

Dem Dichter Mehmed Emin verdanken die Türken ihre Nationalhymne. Seine kriegerischenTürkenlieder" (1898) haben zuerst die Augen auf ihn gelenkt und ungeheuren Anklang im Volke gefunden; sie halfen den Begriff des Vaterlandes" in das Türkenherz einbürgern. Neue Töne voll starken nationalen Schwunges fand seine Leier in dem großen Weltenbrand der Gegenwart. Ein unbeschreiblicher Erfolg war ihm beschieden, als er kurz vor der amtlichen Ver­kündigung des Heiligen Krieges. Ende Oktober 1914, vor einer tausendköpfigen Menge in Konstantinopel den Weckruf vortrug: Ai Türk, ujan! d. h.Türke, wach auf!" (in deutscher Übersetzung Laibach 1915, 26 S.). Der Dichter schildert hier in hochpatriotischer, die innersten Gefühle aufrührender Sprache die stolze Vergangenheit des Türkenvolkes mit seinen Ruhmestaten, seiner geistigen Kultur, seiner Ehrfurcht vor dem Glauben und der Überzeugung anderer. Und jetzt welch furchtbarer Niedergang seit dreihundert Jahren! Aber die Zukunft winkt. Ein neues weites Reich kann erstehen. Darum trockne deine Tränen! Stärke dich und rüste dich dafür! So ruft der Dichter seiner Nation zu. Dann zeigt er ihr das neue Vaterland, das Morgenrot der kommenden glanzvollen Zeit.Die Verse wirkten wie ein Feuerbrand." Im Nu war die erste Auflage der Buchausgabe vergriffen, und in allen Händen sah man die kleinen roten Hefte. Gewiß mischt sich viel Überschwang in das Feuer dieser Dichterseele, aber von großen Zielen lebt die Seele, und au den Zukunftsträumen nährt sich die Begeisterung. Darum ist gerade sein Turan- Lied, in dem der Dichter schaut, wie Groß-Turans Reich das ganze Asien unter der türkischen Flagge vereint, zu dem Credo der osmanischen Jugend geworden:

Jedes Wort ist unser eigen, Turan, heilig hehres Turan,

Das aus türkischer Kehle klingt; Jeder Winkel raunt mir Sagen,

Unser ist der Länder Reigen, Märchen von dem ersten Urahn

Der drei Welten in sich schlingt. Aus den alten Heldentagen.

Deine tausend Herrscher lassen, Heldentapfre Volkserhalter, Bor dem deinen mir erblassen Hindostans und Chinas Alter----

Mehmed Emin war inzwischen mit dem aus Rußland eingewanderten Türken Aktschura Oghli Jusuf zum Führer der türkisch-nationalen Partei geworden, und die Richtung, die sich heute al-z Panturkismus neben den ver­blassenden Osmanismus und den unter der Asche neu angefachten Panislamismus stellt, findet in ihm ihren begeisterten Anwalt. Ein Kreis von Gesinnungsgenossen hat sich um ihn geschart, und der Turangedanke: die Vereinigung der Türken­stämme zu einem zukünftigen, umfassenden nationalen Reich, schlingt, bisweilen untermischt mit islamischen Idealen, das einigende Band um diese Nationalisten das Vaterland ist für den Türken weder die Türkei noch Turkeftan, das Vaterland ist ein großes unendliches Land: Turan. . ." singt einer der berufenen Apostel dieser türkistischen Schule. Zia Gjök Alp, in seinem Gedicht