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Die Krisis der russischen Innenpolitik
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Die Krisis der russischen Innenpolitik

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seine Vorgänger vor ihm mit der Notwendigkeit der Einarbeitung des neuen Kabinetts. Niemand im Lande glaubt an die Aufrichtigkeit dieser Erklärung, aber niemand glaubt auch mehr daran, daß die demokratischen Blockelemente sich auf die wirkliche Majorität des arbeitenden politischen Rußlands stützen. Das wahre Rußland hat nichts zu tun mit jenen allen Sensationen nachlaufen­den Leuten, die die Versammlungen füllen, und die heute dem einen und morgen dem andern Hurra schreien. Es scheint, als ob das Gefühl der Notwendigkeit des Sorgens für den kommenden Tag, die Kriegs- und Ernährungsschwierig­keiten alles andere übertönt haben.

So war die Situation bis vor ungefähr vierzehn Tagen, als der Kongreß der Alliierten in Petersburg begann, als die französischen und englischen Zeitungs­stimmen auf die Gefahr der Lage hinwiesen. Die west-schweizerische Presse, die offenbar von Paris inspiriert wurde, sprach sich am deutlichsten aus. Die Alliierten könnten und dürften nicht mitansehen, daß die inneren Zustände in Rußland so weiter gingen, wie sie jetzt gehen. Man müsse die Duma gegen die Regierung, d. h. gegen den Zaren, ausspielen und dafür forgen, daß ein Ministerium Miljukow ans Ruder komme. Die englische Presse sagte offen, daß das dynastische Prinzip, das in Rußland, Japan und Deutschland vertreten sei, ein Hindernis für die westlichen demokratischen Tendenzen darstelle. Man müsse dafür sorgen, daß der Zar von den Einflüssen entfernt werde, die ihm das Zusammenarbeiten mit der Duma (d. h. mit dem dem englischen Botschafter gut ergebenen Herrn Miljukow) unmöglich machen. Es liegen Anzeichen dafür vor, daß die Herren Doumergue und Lord Milner in Petersburg versucht haben, sich in die innere Politik des Zarenreiches einzumischen. Man zögerte, die finanziellen Wünsche Rußlands, desfen Währung auf dem Londoner Markt immer tiefer und tiefer sank, zu erfüllen, und man scheute sich nicht, gleichzeitg gewisse Möglichkeiten anzudeuten, die eintreten könnten, wenn man in den maß­gebenden Kreisen kein Verständnis sür die Notwendigkeit der Umgestaltung der russischen inneren Politik zeigen würde.

Vor allen Dingen ist höchst bemerkenswert, daß man in Paris schon offen davon sprach, daß man sich um die Verwirklichung der Kriegsziele Rußlands nicht mehr kümmern, sondern Rußland seinem Schicksal überlassen werde. Eine gewisse russische Presse hat sich soweit in ihrer Würde vergessen, daß sie angst­bebend die Franzosen darauf aufmerksam machte, daß auch Frankreich ein ge­wisses Interesse daran habe, die russischen Grenzen nicht zu weit nach dem Osten zurückgeschoben zu sehen.

Was die Herren Doumergue und Genossen in Petersburg ausgerichtet haben, ist nicht bekannt. Jedenfalls werden die leitenden russischen Kreise wiederum gesehen haben, daß Stürmer nicht so unrecht hatte, als er dem Abgeordneten Purischkewitsch gegenüber von den allzu großen Prätentionen der Verbündeten Nußlands sprach. Ein absolut nicht zur Stürmerschen Gruppe gehöriger Schriftsteller, A. Petrischtschew, hat in der letzten Nummer der