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Aus Litauens Vergangenheit zu Litauens Zukunft
Wenn das alte Polcnreich vor den Teilungen weit nach Osten bis vor die Tore von Smolensk und Kiew, früher sogar noch darüber hinaus und bis zum Schwarzen Meere reichte, so verdankt es diese weiten Gebiete des Ostens dem in Polen einverleibten litauischen Staatswesen, das außer dem eigentlichen Litauen sich große weißrussische und ruthenische Gebiete unterworfen hatte. Der eigentliche und ursprüngliche PolenstaaL hat vor der Vereinigung mit Litauen nicht weiter gereicht als das polnische Volkstum, das heißt bis zu einer Linie, die sich etwa von der ostpreußischen Ecke bei Lvck hinter Lublin über San und Wislok zu den Karpathen erstreckt. Erst durch Litauen stieg Polen zur Großmacht empor und vermochte den Deutschen Orden zu besiegen. Durch Litauen wurde es aber auch aus einem Nationalstaate zu einem Nationalitätenstaats, in dem die Polen neben Deutschen, Letten, Litauern, Weißrussen und Ruthenen nur die Minderheit bildeten. Darin lag aber gleichzeitig ein Element der Schwäche und ein Grund des Unterganges. Denn nur der herrschende polnische Adel, der den litauischen in sich aufgenommen hatte, konnte das Polenreich zusammenhalten. Diese soziale Grundlage war aber gegenüber dem Anprall von außen zu schwach.
Das neue Königreich Polen, auf dessen Boden sich in der Zeit der Fremdherrschaft ein kräftiger Mittelstand und ein freier Bauernstand entwickelt hat. entsteht nicht wieder als Adelsrepublik. Deshalb kann es aber auch nicht Litauen umfassen, sonst würde der Gegensatz der Nationalitäten den neuen Staat sprengen.
Andererseits bildet Litauen das Bollwerk Ostpreußens gegen Rußland, die Verbindung zwischen dem deutschen Ostpreußen und dem deutschen Kurland. Wenn die vollständige Verdeutschung der baltischen Provinzen nicht mehr gelang, weil der Deutsche Orden den litauischen Winkel nicht besaß, so ist Litauen jetzt fest in deutscher Hand und muß es bleiben als notwendiges Band zwischen Ostpreußen und den baltischen Provinzen. Die Verbindung Litauens mit Polen kann nichts anderes mehr sein als eine geschichtliche Erinnerung.