Belgiens Zukunft
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Der Fortbestand Belgiens als Staat wie die Aufteilung seines Gebietes nach dem Nationalitätsprinzip sind in gleicher Weise unmöglich. So bleibt nur die Vereinigung mit dem Deutschen Reiche.
Zur Beruhigung jener ängstlichen Gemüter, die beinahe vor Schrecken vom Stuhle fallen bei dem Gedanken, daß etwa sechzig belgische Abgeordnete ihren Einzug in den deutschen Reichstag halten und dort ihre Spektakelstücke aufführen sollen, sei von vornherein bemerkt, daß kein vernünftiger Mensch an eine Vereinigung etwa nach Art derjenigen Elsaß-Lothringens mit dem Deutschen Reiche oder daran denkt, den Belgiern jetzt oder für absehbare Zeit das Reichs- lagswahlrecht zu verleihen. Es gibt andere Mittel und Wege der militärischen, politischen und wirtschaftlichen Beherrschung. Wenn Deutschland Belgien behält, so geschieht das nicht, um den Belgiern eine Freude zu machen, oder eine Wohltat zu erweisen, obschon sie allmählich die Zugehörigkeit zu einem großen Gemeinwesen schätzen lernen werden. Wir belasten uns mit einem Lande, das innerhalb des festgefügten Organismus des Reiches vorläufig als Fremdkörper empfunden werden muß. nur aus bitterer Not, weil wir das Land nicht entbehren können und deshalb seine Bewohner mit in Kauf nehmen müssen. Für die staatsrechtliche und politische Behandlung des Landes können daher auch nur die Bedürfnisse des Reiches maßgebend sein. Auch Rom hat die Poebene und Sizilien, die es zum Abschlüsse der politischen Einigung Italiens brauchte, Menschenalter hindurch als Provinzen anders behandelt als das übrige Italien, bis sie endlich unter Caesar und Augustus in die volle Rechtsgemeinschast aufgenommen werden konnten.
Deutschland braucht Belgien militärisch.
Verhältnismäßig leicht ist diesmal trotz der Maasbesestigungen und Antwerpens die Überwältigung geglückt. In einen, künftigen Falle würde man sich besser vorsehen, und die Maaslinie ebenso von Befestigungen starren, wie die französische Ostgrenze. Dieses Belgien, eine Schöpfung Englands und Frankreichs und durch die Leiden des jetzigen Krieges verbittert, stände aber immer Deutschlands Feinden zur Verfügung. Ungedeckt liegt die deutsche Westgrenze an der Rheinprovinz, die man bisher durch die belgische Neutralität geschützt glaubte. Dieser Schutz hat versagt, wir bedürfen einer strategischen Grenze.
Diese kann nicht etwa bloß an der Maaslinie liegen. Sie würde allenfalls für die Verteidigung der Rheinprovinz genügen. Aber über Ostende und Antwerpen bliebe immer die deutsche Stellung in der Flanke und bei weiterem Vorgehen im Rücken bedroht. Damit ergäbe sich die Notwendigkeit einer neuen Militärischen Eroberung. Und wahrscheinlich würde man sich auch hier besser vorsehen, als das erstemal und Antwerpen wirklich zu einer uneinnehmbaren Festung machen.
Denn darüber dürfen wir uns nicht täuschen. Nicht durch Edelmut und Schonung, namentlich in Gebietsfragen, werden wir unsere Feinde gewinnen. Sie werden, selbst besiegt, wie das Frankreich von 1870/71 Zeit und Gelegenheit