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Aus dem Briefwechsel von Gustav Freytag mit Graf und Gräfin Wolf Baudissin :
(Schluß)
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Briefwechsel von Gustav Freytag mit Graf und Gräfin Baudissin 119

stein eine Armee aus aller Herren Landen zusammenbringt, n. den Versuch wagt, sich sein Recht zu erkämpfen: dann verbrennt er seine Schiffe, u. kann möglicherweise noch siegen. Sich aber jetzt schon dem fast gewissen Resultat aussetzen, an der Schwelle seines Hauses umkehren zu müssen, das halte ich ' für zu bedenklich.

Ueber die dissentirenden Stimmen in der Versammlung unserer Landstände bin ich sehr traurig, denn es ist nicht zu leugnen daß gerade die genannten zu unsern besten Männern, u. bisher zu den eifrigsten Bekämpfern der dänischen Uebergriffe gehört haben. Ich suche vergebens nach ihren Motiven. Scheel- Plessen hat alle seine Güter in Seeland; Blome ist lange Jahre Gesandter in England gewesen, u. überdem ein Vetter des Grafen Pleiten in Hannover. Bei den Andern könnte maßgebend gewesen sein 1) die Furcht vor den russischen Ansprüchen wenn das Londoner Protocoll zerfiele, 2) die Abneigung gegen einen zukünftigen Hof u. Hofstaat im Lande, 3) die Besorgniß vor demo- cratischen Uebergriffen, endlich 4) die Thatsache daß einige von ihnen im Jahr 1848 sehr schroff u. rücksichtslos vom Vater des Herzogs u. seinem Bruder, dem Prinzen v. Noer, zurückgesetzt worden sind. Daß ich diese Gründe nicht gelten lasse, n. die Dänen hundertmal schlimmer finde, als das Alles, brauche ich Ihnen nicht zu versichern.

Der König hat übrigens, wie ich fürchte, noch mehr sein Vergnügen an der Lösung der spitzfindigen verwickelten Rechtsfragen u. aller Haarspalterei die daranhängt, als eigentliche warme Theilnahme für Land u. Leute; sonst würde er nicht solches Gewicht auf kleinliche Nebenfragen legen, ob z. B. die Herr­schaft Pinneberg ein Allodium sei, oder ein incorporirter Theil von Holstein. Die Krankheit interesstrt ihn noch mehr als der Kranke.

Graf Otto Rantzau, der hiesige preuß. Gesandte, der ein sehr warmes Herz für sein Vaterland Holstein hat, ist vollkommen einverstanden mit meiner Ansicht, daß der Herzog sich jetzt in diesem Augenblick noch passiv verhalten müsse. Hingegen ist Max Dunker, wie sie aus dem anliegenden Brief sehen werden, derselben Meinung wie Sie.

Leben Sie wohl, mein theurer Freund; wenn wir auch über die Mittel nicht ganz einig sind, über den Zweck sind wirs gewiß. Mit den herzlichsten Wünschen für das neue Jahr u. den besten Grüßen meiner Frau

der Ihrige

W. Baudissin.

Freytag an Gräfin Baudissin. Meine liebe verehrte Freundin! Was Sie mir über Klee schreiben, ist so traurig, daß ich mich der schlimmsten Besorgniß nicht entschlagen kann. Ueberrascht freilich hat michs nicht. Denn es ist ein altes Leiden. Und die Freunde in Leipzig haben versucht, was sie konnten. Es sind jetzt 2 Jahr, da wurde in Leipzig seinetwegen ein Rath