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Frankreich und die Gründung des Norddeutschen Bundes : zum halbhundertjährigen Gedächtnis des Präliminarfriedens von Nikolsburg, 25. Juli 1866
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Frankreich und die Gründung des Norddeutschen Bundes

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darum die Annahme an die Bedingung, daß Italien zustimme, und veranlaßte die Sendung des Prinzen Reuß ohne besondere Instruktionen nach Paris, um den Kaiser in höflicher Weise hinzuhalten. Er hoffte, Italien werde sich nach dem Schlage von Custozza weigern, Venetien als Geschenk anzunehmen, oder er werde, falls ihn Italien doch im Stich lasse, Zeit gewinnen, mit Österreich direkt zu verhandeln.

Über die Friedensbedingungen, die man stellen wollte, war man sich damals im preußischen Hauptquartier noch nicht klar. Ohne Zweifel ging man auf eine Annexion ganz Sachsens aus. während man von Hannover und Kurhessen nur so viel nehmen wollte, als notwendig war, um eine Verbindung zwischen den preußischen Ost- und Westprovinzen herzustellen. Bismarck ging damit über das von Napoleon gebilligte Programm vom 10. Juni hinaus, aber wie er meinte, nicht mehr, als durch die inzwischen erfochtenen Siege gerechtfertigt sei. In Süddeutschland wollte er sich auch jetzt streng an das Programm halten. In einem Erlaß vom 9. Juli an den Grafen Goltz sprach sich Bismarck etwas näher aus. Der Botschafter wurde beauftragt, ziemlich umfangreiche Forderungen Preußens bei Napoleon zu vertreten, nämlich die volle Annexion sämtlicher preußen- seindlicher norddeutscher Staaten, oder wenn dies nicht durchzusetzen sei. möglichst große Gebietsabtretungen, und jedenfalls die Aufrichtung eines kräftigen Norddeutschen Bundes. Wenn Frankreich eine unfreundliche Haltung einnehme, so solle Goltzmit der rücksichtslosen Entfesselung der nationalen Bewegung in ganz Deutschland drohen" (Brandenburg S. 549). Goltz sollte keine Friedensbedingungen mit Napoleon vereinbaren, sondern ohne direkte Vorschläge zu machen, nur sondieren, wieviel Vorteil der Kaiser jetzt nach Königgrätz über das Programm vom 10. Juni hinaus Preußen ohne Kompen- sationen zugestehen wolle. In Frankreich rechnete man bereits selber mit Annexionen, und da Napoleon entschlossen war. Norddeutschland dem preußischen Einflüsse zu überlassen, so war es ihm im Grunde gleichgültig, wieviele nord­deutsche Staaten bestehen blieben, wenn Preußen nur den Süden nicht antastete. Höchstens die Erhaltung Sachsens wünschte er. Trotzdem unterließ es Graf Goltz, dem Kaiser die Forderung der Annexionen überhaupt vorzutragen, wahrscheinlich weil er Vismarcks Politik, wie schon früher, nicht für richtig hielt. Dadurch gab er Napoleon Gelegenheit, in einem Briefe, den er dem am 15. Juli wieder abreisenden Prinzen Reuß mitgab, überhaupt jede verpflichtende Äußerung zu den preußischen Friedensbedingungen zu vermeiden.

Inzwischen wurden in Frankreich Stimmen laut, die die zu erwartende Machtsteigerung Preußens keineswegs für so ungefährlich hielten, wie der Kaiser selbst, und die immer dringender empfahlen, den Siegern von Königgrätz die Früchte des militärischen Erfolges recht gründlich zu verkümmern. Wort­führer dieser Richtung war der Minister Drouyn de Lhuns, der nach Möglichkeit die ihm allzu preußenfreundlich erscheinende Politik seines Herrschers durch­kreuzte. Auf seinen Befehl begab sich am 9. Juli der Botschafter Benedetti