Frankreich und die Gründung des Norddeutschen Bundes
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1916. Preis 16 Mark) veröffentlicht, der unter anderm auch über die Vorgeschichte des Norddeutschen Bundes und die französische Politik der sechziger Jahre neues Material verarbeitet. Die Stärke des französischen Einflusses und die Bedeutung der Leistung Bismarcks. diesen Einfluß benutzt und schließlich überwunden zu haben, wird von Brandenburg mit großer Klarheit hervorgehoben.
Die europäische Politik Napoleons des Dritten ging insofern in den Bahnen der klassischen Tradition Richelieus und Ludwigs des Vierzehnten, als der Gegensatz gegen Österreich ihr leitender Gesichtspunkt war. Daher ging sie darauf aus. einmal seine Machtstellung in Italien einzuschränken und dann die „Heilige Allianz", in der Österreich unter Metternich tonangebend gewesen war. zu sprengen. Napoleon begleitete schon seit 1849 die preußischen Hegemoniepläne in Deutschland mit wohlwollendem Interesse, weil sie dresen Staat m Gegensatz zur Donaumonarchie bringen mußten. Eine Machtvergrößerung Preußens schien ihm nicht gefährlich, ja er glaubte, daß sie Frankreich emen Grund geben könnte, zu gelegener Zeit gewisse linksrheinische Gebiete als Kompensation einzustecken. Alle diese Erwägungen verloren freilich nach der großen diplomatischen Niederlage Preußens in Olmütz einstweilen ihre Grundlage. Aber die „Heilige Allianz" wurde tatsächlich bald dmch ein anderes Ereignis gesprengt, nämlich durch den Krimkrieg. War Österreich seitdem mit Rußland verfeindet, so war doch die Isolierung von Preußen noch keineswegs gelungen. AIs Napoleon 1859 gegen Österreich losschlug, zwang ihn die Haltung Preußens, die Eroberung Venetiens aufzugeben und sich mit der Lombardei zu begnügen. Erst als die österreichische Politik Anfang der sechziger Jahre auf eine Reform des Deutschen Bundes in anti-preußischem Sinne ausging und seit der Berufung Bismarcks zum Minister, der, weil er frei von den sentimentalen russisch - österreichischen Sympathien der Konservativen war, für einen Freund der französischen Allianz galt, verbesserten sich für Napoleon die Aussichten einer Annäherung an Preußen. Daran lag dem Kaiser um so mehr, als er mit England längst nicht mehr so konform ging wie zu den Zeiten des Krimkrieges. England hatte den Anschluß Süd-Italiens an das Haus Savoyen zugelassen, den Napoleon nicht wünschte, und Frankreich war eben dabei, in der schleswig-holsteinischen Sache die Briten im Stich zu lassen, als diese gern zugunsten Dänemarks interveniert hätten.
Napoleon begünstigte vielmehr geradezu die Einverleibung der Elbherzog- tümer in Preußen, die Bismarcks Ziel war. weil er erwarten konnte, daß Preußen sich darüber mit Österreich verfeinde. Wenn möglich gedachte er dann, wie Sybel vermutet, von beiden Seiten Vorteile zu ziehen. In den Verhandlungen, die er 1863 und 1864 mit den preußischen Diplomaten führen Ueß. ist in der Tat von Kompensationen, die Frankreich möglicherweise wünschen könnte, die Rede gewesen. Ob aber schon die Einverleibung Schleswig-Holstems oder erst die weiterer norddeutscher Bundesstaaten, oder- ob etwa eine Bundesreform, die Preußen entweder in ganz Deutschland oder wenigstens im Norden