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Vom Krieg zum inneren Frieden
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vom Krieg zum inneren Frieden

ab, mit welchen Eindrücken der Krieg selber schließen wird. Er wird rückwärts vom Volke verschieden beurteilt werden, je nachdem er mehr oder weniger greif­baren Sieg gebracht hat. Nicht zu unterschätzen ist aber vor allem, unter was sür Umständen die Heimkehr der Truppen sich vollzieht. Die Seele der Heim­kehrenden ist die Wiege der künftigen deutschen Politik."

Es wäre schlimm, wenn die staatliche Politik in den Bann hochgespannter idealistischer Empfindungen geriete. Gefühlsmomente tauchen auf und schweben nieder; sie schwanken im Wandel der die Volksstimmung erhebenden oder nieder­drückenden äußeren Geschehnisse. Zur Kennzeichnung dieser Veränderlichkeit möchten wir ein literarisches Zeugnis anrufen. Vor etwa Jahresfrist erschien ein vielbeachtetes Buch, das von dem Herrenhausbibliothekar Dr. Friedrich Thimme und dem Vorsitzenden der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands Carl Legien herausgegeben wurde und zwischen der bürgerlichen und sozialistischen Geisteswelt vermitteln sollte*).

Im Schlußwort will der Herausgeber Thimme die wichtigsten Lehren und Erkenntnisse des Krieges zusammenfassen. Einige Sätze mögen seine Auffassung andeuten.Der Krieg hat uns die Erfahrung gebracht, daß in der nationalen, der deutschen Gesinnung nicht der mindeste Unterschied zwischen der bürgerlichen und der sozialistischen Welt besteht: alle sind wir bereit, für das Vaterland auch das letzte hinzugeben ... Es darf nicht mehr sein, daß die Wünsche und Forderungen der Sozialdemokratie von den übrigen Parteien und der Regierung leichthin beiseite geschoben werden... Es darf ganz gewiß nicht sein, daß die sozialdemokratische Überzeugung als ein nationales oder gar moralisches Unrecht gebrandmarkt oder gesellschaftlich geächtet wird. . . Das Volk darf und kann erwarten, daß ihm der Staat mit Freiheit und Vertrauen lohne, daß man seine Volksrechte nicht ängstlich beschneide, sondern sie soweit wie immer möglich aus­dehne, daß man ihm eine lebendige Anteilnahme am Staatsleben gönne, daß man allen seinen Klassen und Individuen volle staatsbürgerliche Gleichberechtigung, gleiche Bewegungsfreiheit, gleiche Entwicklungsmöglichkeit gebe. . . Fast mit Beschämung denken wir heute daran, daß wir vor dem Kriege ernsthaft darüber debattieren konnten, ob wir nicht schon ein Zuviel an sozialer Reform hätten . . . Wir werden uns in Zukunft dem Probleme, ob und inwieweit unsere heutige Wirtschaftsordnung, der Gegenwartsstaat, der neuen Wirtschafts- und Gesellschafts-

*)Die Arbeiterschaft im neuen Deutschland". Herausgegeben von Friedrich Thimme und Carl Legien (Verlag von S. Hirzel in Leipzig. Preis 2 M., geb. 3 M.). In dem Buche haben sich eine Anzahl bürgerlicher Gelehrter und sozialdemokratischer Schriftsteller zusammengefunden, um die Probleme der künftigen Stellung der Arbeiterschaft im neuen Deutschland gemeinsam zu erörtern. Von den Mitarbeitern seien genannt: Prof. Dr. Oncken - Heidelberg, Prof. Dr. Meinecke-Berlin, Prof. Dr. Anschütz-Berlin, Prof. Dr. Francke (Herausgeber derSozialen Praxis"), Privatdozent Prof. vr. Waldemar Zimmermann, Prof. Dr. v, Tröltsch und einige andere. Von den sozialdemokratischen Verfassern seien erwähnt: Scheidemann, Winnig, Paul Hirsch, Dr. Lensch, Robert Schmidt, Heinrich Schulz und Paul Umbreit.