Beitrag 
Führung und Verpflegung der Millionenheere
Seite
547
Einzelbild herunterladen
 

Führung u»d Verpflegung der Millionenheere

547

dem große Heeresmassen erst einmal auf Grund einer bestimmten Lage, eines gegebenen Auftrages in Bewegung gesetzt, so wird man in der Regel auch an dem einmal gefaßten Plane festhalten müssen, es sei denn, daß sich im Laufe der Operationen herausstellt, daß er auf falschen Voraussetzungen beruhte und gänzlich abgeändert werden muß. Als 1870/71 die Maas- und III. Armee auf Paris marschierten und die Nachricht vom Marsche Mac Mahons auf Metz erhielt, mußte allerdings der ganze Vormarsch abgeändert werden. Daran hätte sich im allgemeinen nichts geändert, wenn die Meldungen über den französischen Vormarsch früher und sicherer durch Luftfahrzeuge gemeldet worden wären, als es durch die Meldungen der Kavallerie und die Nachrichten der Presse erfolgte. So ist nicht anzunehmen, daß eine verbesserte Aufklärung für die höhere Führung von wesentlichem Einfluß sein wird.

» » »

Von jeher ist die Führung bestrebt gewesen, sich auch auf den Gang eines schon entstandenen Kampfes einen gewissen Einfluß zu wahren. Sie kann dies nur durch das Ausscheiden und spätere Einsetzen von Reserven. Es fragt sich, ob dies auch in Zukunft möglich sein wird. Glaubt man an die Möglichkeit, große Truppenmassen noch im letzten Moment verschieben und diese rechtzeitig nach der gefährdeten Stelle bringen zu können, um einem feindlichen Flankenstoß zu begegnen oder damit selbst den im Laufe des Kampfes als schwach erkannten Teil des Gegners angreifen zu können, so haben die Reserven auch in großen Verhältnissen noch ihre Berechtigung. Diese Verbindungen sind aber in der rangierten Schlacht der Millionenheere nach unseren Anschauungen nicht mehr vorhanden. Vergegenwärtigt man sich die Ausdehnung der zukünftigen Schlachtfronten, wenn mehrere Armeen neben­einander kämpfen, so müßten die zurückgehaltenen Reserven, wenn sie von der Mitte nach dem Flügel entsendet werden, oftmals zwei bis drei Tagemärsche zurücklegen, ehe sie eingesetzt werden können. Dann würden sie aber in der Regel zu spät kommen. Werden sie früher eingesetzt, so läuft man Gefahr, sie in eine falsche Richtung zu entsenden. Hin- und Hermärsche würden dann die unausbleibliche Folge sein. Vom Standpunkt der obersten Heeresleitung erscheinen deshalb Reserven entbehrlich. Etwas anderes ist es bei den unteren Verbänden, diese müssen sich taktische Reserven ausscheiden. Bei den kleineren Naumverhältnissen wird es auch da immer möglich sein, sie rechtzeitig nach den Punkten zu bringen, wo der Führer mit ihnen die Entscheidung bringen will.

Auf diesem Gebiete findet sich ein grundsätzlicher Unterschied in der deutschen und französischen Auffassung über die Führung im Zukunftskriege. Die Franzosen halten es für möglich, zurückgehaltene Kräfte auch in den größten Verhältnissen noch rechtzeitig vorschieben und einsetzen zu können. Sie huldigen auch jetzt noch dem alten napoleonischen Grundsatz, erst zu sehen und Zu erkunden, den Gegner möglichst zur Entwicklung zu bringen und dann erst