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Das werdende Albanien
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Das werdende Albanien

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ergeben, der nach der Lage der Dinge, über deren Ursprung nachzuforschen ihnen im Grunde sehr gleichgültig war, die Macht und den Willen hatte, ihnen das zu gewähren, worauf sie Wert legten: ein ungestörtes Leben nach der Väter Weise und die drei einzigen Rechte, in denen sich ihnen alles verkörperte, was sie an politischen Forderungen auf dem Herzen hatten: Militärfreiheit, Steuerfreiheit und das Recht des Waffentragens.

Und gerade daran rührte mit täppischer Hand das Jungtürkentum. das den alten Herrn, der die Treue seiner Albanesen so zu schätzen gewußt hatte, beseitigt hatte. Das alles paßte nicht in das Schema des modernen Staates, in den die Türkei, es koste was es wolle, über Nacht umgewandelt werden sollte. Nun rotten sich die aufgeregten Albanesen zusammen und rüsten sich zum Aufstande. Es hat wirklich etwas Rührendes, zu sehen, wie diese Natur-« linder sich doch immer wieder beruhigen und nach Hause schicken lassen, wenn einer der hohen Herren aus Konstantinopel herbeieilt und mit Versprechungen hinsichtlich ihrer bescheidenen Forderungen ihnen gut zuredet. Aber das war doch bei alledem nicht mehr zu verbergen: die Albanesen waren in dem Körper der modernen Türkei ein kaum noch einzufügender Fremdkörper geworden. Denn soviel Unfertiges und Unmögliches, soviel Asiatentum diese neue Türkei auch noch in sich barg, so waren doch die Grundformen des Staatswesens so ver­ändert, daß mit einem so sonderbar veranlagten und entwickelten Volkstum wie dem albanischen darin buchstäblich nichts anzufangen war. Daß nach dem militärischen Zusammenbruch der Türkei Albanien nicht mehr ein Bestandteil des Osmanenreichs bleiben konnte, lag für alle, die das künftige Schicksal der Balkanhalbinsel zu überlegen hatten, klar zu Tage. Wie aber standen die Albanesen nun zu den andern Balkanvülkern?

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Die Zähigkeit, mit der die Albanesen der Hellenisierung und dann auch der Slawisierung widerstanden haben, könnte vielleicht den Glauben erwecken, daß sich hier ein starker nationaler Gegensatz entwickelt hat. Das ist in dieser Allgemeinheit nicht richtig. Mit den Griechen haben sich die Albanesen immer ganz gut vertragen und sind dabei doch Albanesen geblieben. Ja, man erinnere sich einer kleinen Äußerlichkeit: die albanische Nationaltracht, die Fustanella, hat ihren Siegeszug einstmals durch ganz Hellas bis zum Kap Matapan gehalten, und noch heute stolziert die Elitetruppe des griechischen Heeres, die Evzonen. in Athen in albanischer Tracht einher. Auch mit den Montenegrinern haben die Albanesen keineswegs grundsätzlich unfreundlich gestanden. Die Bewohner der Zeta so hießen im Mittelalter die Schwarzen Berge haben einst dem tapferen Skanderbeg treulich beigestanden, und im allgemeinen find die Monte­negriner und Albanesen trotz gelegentlicher Fehden und Streitigkeiten gute Nach- barn gewesen. Die Streitigkeiten beruhten nicht auf Nationalhaß, sondern auf wirtschaftlicher Not. Die Bewohner des armen und rauhen Montenegro waren