Contribution 
Die Wehrsteuern und die wirtschaftliche Lage
Page
44
Turn right 90°Turn left 90°
  
  
  
  
  
 
Download single image
 

44

Die Mehrsteuer» und die wirtschaftliche Lage

dem Land Kapital zu unproduktivem Zwecke entzogen und investiert werde, daß dieKaufkraft" des Publikums um den Betrag dieser Steuer, also um eine Milliarde geschwächt werde und daß also eine verderbliche Rückwirkung dieserKapitalentziehung" und Schwächung der Kaufkraft unausbleiblich sei. Ein Professor der Staatswissenschaften hat sogar in apodiktischer Form das Axiom aufgestellt, daß jede produktive Ausgabe dahin tendiere, den Zinsfuß zu erniedrigen, den Konsolskurs zu steigern; daß aber jede unproduktive (also vornehmlich solche zu Militärzwecken) dahin tendiere, den Zinsfuß zu steigern und den Kurs zu erniedrigen. Von dieser Auffassung aus wird der Steuer­vorlage eine gleich verderbliche Wirkung auf den Geldmarkt und den Konsolskurs vorausgesagt.

. Bei alledem handelt es sich um handgreifliche Trugschlüsse. Zunächst ist jenes Axiom des national-ökonomischen Professors grundfalsch und findet in den Tatsachen absolut keine Stütze. Nur eine Wechselwirkung zwischen Zinsfuß und Anleihekurs ist tatsächlich vorhanden, derart, daß bei teuerem Geldstand die Anleihekurse sinken und umgekehrt. Wo aber bleibt der Beweis dafür, daß produktive Anlagen den Zinsfuß erniedrigen? Jede Hochkonjunktur widerlegt diesen apodiktischen Satz auf das schlagendste. Denn jede Hochkonjunktur sührt, wie oben gesagt, schließlich zu einer Geldteuerung, weil die produktiven An­lagen, die Erweiterungsbauten und Neugründungen der Industrie, den vor­handenen Kapitalvorrat übersteigen und weil die dringende Nachfrage nach Kapital den Wert desselben und damit den Zinsfuß erhöht. Für den letzteren ist eben allein das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage entscheidend, nicht der Verwendungszweck des Kapitals.

Nicht minder schief ist die Ausfassung, als werde durch die Steuer Kapital investiert oder die Kaufkraft geschwächt. Um den letzten Einwand vorwegzu­nehmen, so ist doch offenbar, daß der angeblich verminderten Kaufkraft der Steuerzahler die vermehrte Kaufkraft des Reichs gegenübersteht. Die Milliarde, welche das Reich den Steuerzahlern entzieht, dient unmittelbar dem Zwecke, als Kaufsumme für die verschiedenartigsten Zwecke, von der Anschaffung von Armeematerial bis zur Beschaffung von Arbeitskraft in Form von Gehältern, auf dem Markte zu erscheinen. Es handelt sich also für die Volkswirtschaft nicht um eine Schwächung, sondern um eine Potenzierung der Kaufkraft dieser Summe. Und ebenso unrichtig ist die Auffassung, als werde dieses Kapital dem Verkehr oder der produktiven Anlage entzogen, um unproduktiv investiert zu werden. Man muß, um diese Frage richtig zu beurteilen, den Blick auf die Gesamtheit der Erscheinungen heften. Da steht es denn volkswirtschaftlich so. daß diese Steuer, mag sie sich auch eine Vermögenssteuer nennen und nach dem Vermögen erhoben werden, praktisch doch von dem Volkseinkommen gezahlt wird. Schätzungsweise beträgt unser jährlicher Kapitalszuwachs etwa vier Milliarden Mark. Das ist die Summe, welche zur produktiven Anlage und Thesaurierung jährlich verfügbar ist. Die Wirkung der Milliardensteuer wird also praktisch