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Die irische Renaissance und George Moore
fahrener Dichter begutachten sollte. Moores Scharfblick war es zu danken, daß unzulängliche Darsteller rechtzeitig durch andere ersetzt wurden, solche, die sich durch Ueats gutgemeinte Bemühungen, die Vortragsweise der alten Rhapsoden wieder zu beleben, nicht beirren ließen. Trotzdem geschah es, daß die Premiere des seither unzählige Male mit Erfolg aufgeführten Ueatsschen Stückes „Lountesg Latnleen" durchfiel, weil der Dichter hinter dem Rücken des regieführendcn Freundes in Gglway einen Trupp Landfrauen angeworben hatte, die mit der schrillen Echtheit ihres Volksgesangs, des caoine, die ganz auf verhaltene Töne gestimmte Poesie des Dramas störten. Der sehr bald nachher aufgeführte Einakter „Latnleen ni ttoulinan" von Ueats mußte nun freilich unmittelbar zu den Herzen eines irischen Auditoriums sprechen. Das Stück ist ein Symbol eingeschlossen in eine einfach und großzügig entwickelte Handlung. Latnleen ni ttoullnar>! ist bekanntlich einer der poetischen Namen, mit denen irische Patrioten ihr Land bezeichneten — in jener Zeit, wo ihnen von Englands Unduldsamkeit politische Verfolgung aus den geringfügigsten Ursachen drohte. So besang man die Heimat unter der Maske einer geliebten Frau, und etwas von dieser von innigstem Fühlen durchtränkten Poesie ist dem Iren auch heute noch eigen. „Irland ist kein geographischer Begriff, sondern eine Persönlichkeit", sagt Moore einmal. Bei Ueats nun erscheint Lattileen ni ttoulitmn als gebeugte Greisin, um Hilfe flehend gegen die Fremden, die raubend in ihrem Hause weilen. Solche Hilfe zu suchen wandert sie rastlos und kann doch als Lohn nur Tränen und schmählichen Tod verheißen. Aber seit mehr als hundert Jahren folgen ihr dennoch die besten Männer von Irland und auch der junge Hochzeiter im Stück verläßt um ihretwillen Braut und Heim und geht der Davoneilenden nach. Die alten Eltern fragen ihren jüngsten, eben eintretenden Knaben, wo sie blieb: „Trafst du eine alte Frau auf dem Wege?" „Nein," antwortet er; „aber ich sah ein junges Weib und es schritt daher gleich einer Königin!"
Diesem patriotischen Appell ist der Humor gefolgt, meist in kleinen Einaktern, die rasch gelernt und rasch verstanden wurden. Es entstand dann auch in einer merkwürdigen Zusammenarbeit von Moore und Ueats die dramatisierte Heldenlegende „Diarmuid und Grania", bei der Ueats das Verlangen stellte, Moore solle den Text französisch schreiben, wonach er ins Englische und dann ins Irische übersetzt werden sollte. Man merkt aus der gesteigerten Ironie der Erzählung, daß Moore hier wohl bereits die UnHaltbarkeit der Verbindung einsah.
Der zweite Band „Salve" bereitet dann auch die Trennung der Wege vor. Mehr und mehr sestigte sich in Moore die Überzeugung, daß Irland allein seinem orthodoxen Katholizismus den Niedergang zu danken habe. Den schärfsten Ausdruck fand diese Meinung in einem damals viel erörterten offenen Briefe an die „IriZNlimes": „Wann wird mein unglückliches Land die Augen von Rom wenden — der Ursache all seines Leides? Seit Jahrhunderten hat Rom