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Friedrich Hebbel als Politiker
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Friedrich Hebbel als Politiker

Auge nicht das brennende Hamburg, sondern ihm ist es, als wohne er Karthagos Zerstörung bei oder des durch eine Bacchantin in Brand gesetzten Persepolis. Und so steht vor seinen Augen der schauerliche Hintergrund seines Dramas Moloch".

Sechs Jahre später. In den Straßen Wiens tobt die Revolution. In wilden Haufen schart sich das Volk. Barrikaden werden errichtet, Schüsse fallen, und neben dem Jüngling, der zum Manne gereift ist, bricht der erste Tote zusammen. Er selbst aber erlebt in diesen Tagen in seinem Innern die französische Revolution, und es gestaltet sich Szene um Szene seines Dramas von der Überspannung des Absolutismus, vonHerodes und Mariamne".

In diesen Zügen, die Friedrich Hebbel er ist jener Jüngling und dieser Mann ganz nebenbei im Tagebuch registriert, liegt schon der Schlüssel zum Verständnis seiner politischen Tätigkeit. Sein historischer Sinn war so ausgeprägt, ein so zum eigensten Wesen gehörender Bestandteil, daß er in­mitten der Gegenwart historisch zu empfinden und zu urteilen vermochte. Wenn rings um ihn die Parteien nur das Nächste sahen, so hatte er das volle Ver­stehen der großen Zusammenhänge. Er erlebte und empfand Weltgeschichte und das machte ihn zumbesonnenen Politiker", wie ihn Friedjung nennt, inmitten des wilden revolutionären Taumels.

Und eben diese geschichtsphilosophische Seele, wie ich fast sagen möchte, bewahrte ihn vor der Verquickung der Politik mit der Poesie. Die liberale und revolutionäre Lyrik der Dingelstedt, Freiligrath, Herwegh verwarf er vom Standpunkt der Ästhetik. Tagespolitik und Poesie haben nichts miteinander gemein. Aber als aufrechter Mann hat auch der Dichter in der Politik, in den großen Fragen der Gegenwart seine Überzeugung zu vertreten und mit persönlichem Mut dafür einzustehen. Daß Hebbel diesen Grundsatz nicht nur gelehrt, sondern ihm mit eiserner Konsequenz nachgelebt hat, darin liegt für uns die Bedeutung seiner politischen Tätigkeit. Ist diese auch nur eine Episode in seinem Leben, so sehen wir doch eben in ihr Wesen und Art des Dichters in größter Klarheit vor uns.

Friedrich Hebbel hat früh über das Verhältnis der Poesie zur Ge­schichte tief nachgedacht, und dieses Problem hat ihn sein ganzes Leben lang beschäftigt. Es ist im allgemeinen wenig bekannt, daß er sich als Historiker schon bevor er seine Judith schrieb betätigt hatte. Diese Schriften sind nicht unter seinem Namen erschienen, weil er, um seine literarische Stellung zu begründen, nur Dichtwerke unter seinem Namen herausgegeben hat. Er wollte nicht mit un­bedeutenden Tagesschriftstellern zusammen genannt sein. Im Jahre 1840 schrieb er im Auftrage des Verlegers Berendson eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges und eine Geschichte der Jungfrau von Orleans. Er berichtet darüber an Charlotte Rousseau (Neue Hebbeldokumente, herausgegeben von Kralik und Lemmermayer):inzwischen habe ich zwei historische Arbeiten geliefert, die schon beide erschienen sind: eine Geschichte des dreißigjährigen Krieges und eine Ge-