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Die politischen Beziehungen zwischen Christentum und Islam
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Die politischen Beziehungen zwischen Christentum

und Islam

von Professor vr. Lonrad Bornhak

as Mittelalter war beherrscht von dem Augustinischen Gedanken der Livita8 6ei, des Gottesreiches auf Erden, die Christenheit umspannend, unter der obersten Herrschaft des Kaisertums und des Papsttums und, seitdem das Kaisertum mit dem Untergange der Hohenstaufen immer tiefer gesunken, des Papsttums allein. Eine Kultur- und Nechtsgemeinschaft bestand daher nur unter den christlichen Völkern und Fürsten. Die darüber hinaus liegende Welt des Islams und des Heidentums war rechtlos. Allenfalls ein Waffenstillstand war mit ihr möglich, aber kein dauernder Vertrag, dazu fehlte jeder Rechtsboden. Es wurde daher dem durchaus modern gesinnten Hohenstaufen Kaiser Friedrich dem Zweiten aufs schwerste verdacht, daß er den sechsten Kreuzzug von 1223 nicht nur im Kirchen­banne unternahm, sondern auch die heiligen Glätten 1229 statt durch Eroberung durch Vertrag mit dem Sultan Kamel von Egypten erwarb.

Diese mittelalterlichen Ideen haben lange nachgewirkt, auch nachdem ihr Ausgangspunkt unhaltbar geworden war. Als mit der Reformation sich die protestantischen Völker von der Herrschast des Papsttums losrissen, war zwar das letzte äußere Band unter ihnen zerrissen. Aber die christlich-europäische Kulturgemeinschaft war bereits so fest gewurzelt, daß sie das Bedürfnis der fortdauernden Verbindung auch in einer Rechtsgemeinschast fühlte. So erwuchs aus der Reformation das christlich-europäische Völkerrecht. Es umschlang natur. gemäß nur die christlichen Völker Europas. Darin, daß alles, was darüber hinaus lag, nunmehr völkerrechtlich rechtlos war. pflanzte sich die mittelalterliche Idee fort.

Grenzboten IV 1915

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