Zeitung und Hochschule
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früher oft nicht immer dem Stande zum Nutzen gereichende Selbstherrlichkeit und Ungebundenheit ein wenig verzichten müssen.
Der Leiter eines großen Blattes erfüllt eine wichtige Knlturmission und bedarf zu ihrer gedeihlichen Lösung vor allem einer großen Befähigung zur Synthese. Muß er doch aus allen Kulturgebieten das Wesentliche erfassen und den Lesern mit Hilfe seiner Mitarbeiter nahe bringen. Es soll damit nicht etwa gesagt werden, daß jeder Redakteur ein Polyhistor werden müsse; hat man doch dem Journalisten nicht ganz mit Unrecht vorgeworfen, daß er von allem etwas, nichts aber recht verstehe. Die Universität soll ihm vielmehr nur die methodische Schulung auf Grund eingehender Studien vermitteln. Ob man das Studium durch eine besondere Prüfung abschließen lassen soll, bleibt eine offene Frage. Unser Vaterland ist einmal das „klassische Land der offiziellen Abstempelung alles Wissens durch die Examensnote", und die Menschen zer> fallen geradezu in zwei Klassen, solche die geprüft werden und solche, die sich prüfen lassen. Es würde damit allerdings der freie Wettbewerb aller Kräfte etwas eingeschränkt, aber die Achtung vor dem Stande würde ^ zweifellos wachsen, wenn die Öffentlichkeit wüßte, daß jemand ebensowenig ^ohne ein Mindestmaß nachgewiesener Kenntnisse eine Zeitung leiten, als einen Menschen" das Bein amputieren darf. Sie würde sich dann wohl auch wieder daran erinnern, was sie der Presse verdankt, und auch die Stellung des Redakteurs zu seinem Verleger, die oft dem geistigen Schaffen eines Mannes unangenehme Fesseln anlegt, würde gebessert. Urteile, wie sie stüher häufig nicht ganz mit Unrecht über den Journalisten gefällt wurden, verlören dann ihre Berechtigung.'
In einer zweiten Hinsicht kann die engere Verbindung von Presse und Hochschule zum Segen werden: sie schafft dem Schriftleiter einen ihn besser behandelnden Leserkreis, denn hat die große Menge erst etwas Einblick in das' schwierige Arbeitsgebiet einer mvdeinen Zeitung gewonnen, so wird sie nicht nur dem Leiter des Blattes die gebührende Rücksicht zubilligen, sondern auch von größerer Lichtung vor den Leuten beseelt sein, die in selbstloser Hingabe oft um kärglichen Lohn und in unfreier Stellung arbeiten müssen. „Kien n'L8t mvins connu eis csux czui Ü3ent Iö8 journaux — ni mems cke ceux czui los tont — czucz I'Kl8toil-ez cku journali3me" schrieb der Pariser „Figaro" vor einigen Jahren, und dasselbe gilt für Deutschland in erhöhtem Maße.
Der Weltkrieg wird uns manches Neue bringen; es steht zu hoffen, daß auch der Kenntnis des Zeitungswesens mehr Beachtung geschenkt werden wird. In den höheren Schulen Preußens ist durch die Neuregelung des Geschichtsunterrichtes mehr Raum geschaffen zur Behandlung der Neuzeit und ihrer Bedürfnisse, möge ein bescheidenes Plätzchen auch für den Journalismus abfallen. Das ist aber nur möglich, wenn die Erzieher der Jugend selbst auf der Hochschule Gelegenheit haben, sich mit den wichtigsten Fragen des so gewaltig entwickelten Pressewesens vertraut zu machen. Dazu genügt aber nicht, daß ein National-- ökonom oder Literarhistoriker sich in einein Publikum des bislang als Zwitter-