Maßgebliches und Unmaßgebliches
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der Seite des Orients hin betreiben wollen? Hat es dann überhaupt noch einen ernsthaften Zweck, eine solche Aufgabe zu untersuchen, wenn nicht einmal die selbstverständliche Voraussetzung dazu, die wirtschaftliche Einigkeit Osterreich - Ungarns unzweifelhaft sichergestellt erscheint? Für alle diejenigen, die der Meinung sind, daß die große Zeit, die wir durchleben, unter ihren Früchten auch ein engeres wirtschaftliches Zusammengehen der beiden Zentralreiche zur Reife bringen müsse, ist dieses Buch des mitten im Geschäfts- und Wirtschaftsleben stehenden Gouverneurs der österreichischen Bodencredit-Anstalt eine Mahnung zur Vorsicht und zur Zurückhaltung. Es scheint doch, als ob zunächst erst zwischen Budapest und Wien eine gründliche und endgültige Auseinandersetzung stattfinden müsse, bevor deutsche Wirtschaftspolitiker mit Aussicht auf irgendeinen Erfolg in die Erörterung dieser großen Zukunftsfrage eingreifen könnten. Unter allen Umständen empfiehlt es sich, daß diejenigen, die sich für ein solches Unternehmen berufen fühlen, sich mit der Veröffentlichung vr. Siegharts bekanntmachen.
H. M.
Aultur
Franz Jostes, Die Blamen im Kampf um ihre Sprache und ihr Bolkstum. Münster, Borgmeyer, 1916 (Kriegsvorträge der Universität Münster Heft 1ö bis 16), 106 Seiten. «°. Preis 1 Mark.
Es gibt Wohl kein größeres Unglück für ein Volk, als wenn Geistliche, Richter, Ärzte, Lehrer, Advokaten usw. die Sprache des einfachen Mannes, des Bauern und Handwerkers, nicht verstehen oder wenigstens gewohnheitlich nicht sprechen, diese Sprache also ganz von selbst nach und nach auf die Stufe der Unmündigkeit und Unkultur herabsinkt. In den niederdeutsch-belgischen Gegenden haben wir dieses Verhältnis. Dort hat die große Masse der Intellektuellen den Verrat an der eigenen Muttersprache begangen, die „Gebildeten" sprechen französisch, das heimische Niederdeutsch oder Vlämisch aber, einst im Mittelalter die vornehmste Sprache Nordwestdeutschlands, ist zur Bauerntael geworden. Wie das geschichtlich vorbereitet ist, welche Kräfte-auf die
Französisierung hinarbeiten und wie weit diese bereits gediehen ist, sodann auch die Widerstände, die sie findet, die Bemühungen der „Flaminganten", der vlämisch Gesinnten, um die Erneuerung des vlämischen Geisteslebens und um die Erlangung und Durchführung der gesetzlichen Gleichberechtigung deS Vlämischen im öffentlichen Leben — die Schilderung dieser Verhältnisse ist der Inhalt der vorliegenden Arbeit von Jostes.
Die Schrift ist in den „Kriegsvorträgen" der Universität Münster erschienen; sie bietet aber viel mehr als einen Vortrag. Nach entsprechender geschichtlicher Einführung wird mit Quellenangabe „das Interessanteste aus dem Materials" mitgeteilt, auf dem der Vor« trag beruhte. Es sind hauptsächlich Äußerungen berühmter Flaminganten. An Hand derselben und unterstützt durch die sehr sachgemäßen Erläuterungen und Begleitworte des auf diesem Gebiete durchaus heimischen Herrn Verfassers gewinnt man von den inneren Zuständen Belgiens ein anschauliches Bild, ein deutlicheres und richtigeres jedenfalls, als „Statistiken, Gesetze und Verordnungen, die gerade in Belgien vielfach sehr irreführend sind", es bieten. Die Schrift sei allen empfohlen, die für die Frage, was mit dem von uns eroberten Land zu machen ist, Interesse haben.
vr. X
Luther und die deutsche Kultur von Henry Thodc. München und Leipzig bei Georg Müller. 92 Seiten.
Die Frage nach dem geschichtlichen Zusammenhang unserer heutigen Kultur mit Luther hebt eine Seite an der Reformation hervor, die zwar dem Leben sehr nahe, der ländläufigen theologischen Betrachtung aber leider sehr ferne liegt. Im vorliegenden Essay nun verknüpft der ehemalige Heidelberger Kunsthistoriker Thode unser heutiges Kulturleben, wie dieses sich in Staat und Gesellschaft, in der Wissenschaft, in Kunst und Literatur offenbart, aufs innigste mit der Persönlichkeit Luthers, dem selbst der innere Zusammenhang mit der abendländischen Entwicklung des Christentums und die Kontinuität mit der ältesten Überlieferung der Menschheit in der Bibel nie verloren gegangen sondern Herzenssache geblieben ist. Von Luther bis