Neue Entwicklungstendenzen des Neutralitätsrechts
von Gerichtsasscssor Dr. Hans rvehberg
ein Zweifel, daß gegenwärtig das Neutralitätsrecht einer neuen Entwicklungsstufe entgegengeht. Die gewaltige Strömung, die sich auch außerhalb Deutschlands gegen die Waffenlieferungen amerikanischer Bürger an England und Frankreich geltend gemacht hat, beweist dies aufs deutlichste. Der ruhig Denkende wird zwar im allgemeinen in solchen Fällen den Verdacht haben, daß die Opposition lediglich aus dem eigenen Interesse heraus entstanden ist. Im Falle der amerikanischen Waffenlieferungen aber läßt sich das Gegenteil klar dartun. In Amerika haben sich außerhalb der Kreise der eigentlichen Deutschamerikaner eine ganze Anzahl von Stimmen zwecks Befürwortung eines Ausfuhrverbots erhoben, und dem gesunden Sinne leuchtet es ein, daß eine solche einseitige Unterstützung lediglich einer Partei doch kaum dem wahren Geiste der Neutralität entspricht. Es handelt sich daher ganz gewiß zu einem wesentlichen Teile um die Opposition des wahren Rechtsgefühls gegen einen erstarrten formalistischen Neutralitätsbegriff, wie wir ihn im Haager „Abkommen über die Rechte und Pflichten der Neutralen im Seekriege" finden. Vergegenwärtigen wir uns nochmals die von beiden Seiten geltend gemachten Gründe.
Nach dem bisherigen Rechte unterlag es keinem Zweifel, daß die Waffenlieferungen neutraler Bürger an kriegführende Staaten regelmäßig statthaft waren. Das Völkerrecht begnügte sich damit, den Kriegführenden das Recht zu gewähren. Konterbandewaren zu konfiszieren. Was die Möglichkeit eines Ausfuhrverbotes betrifft, so war man bisher der Meinung, daß ein solches dann direkt unzulässig sei, wenn die eine Partei dadurch benachteiligt würde. Auch der amerikanische Staatssekretär Bryan hat erklärt, es dürfe der neutrale Grenzvoten I 1916 2g