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Kriegerische Volkspoesie :
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Kriegerische Volkspoesie

Liebe, Scheiden und Meiden, freies Leben und der gute Kamerad: damit haben wir das Instrument des Soldaten durchgeprobt, bis auf eine Saite, die noch übrig ist. Diese eine und letzte, die dunkelste, aber auch die groß­artigste, die durch alle Zeiten dröhnt und gewissermaßen den Orgelpunkt aller kriegerischen Volkspoesie darstellt, das ist der Todauf grüner Haid im freien Feld":

Wann der Feind überwunden ist, Zeucht man dem Läger zu, Sieht man, was übrig ist zur Frist Und hat die Weil kein Ruh; Erst geht das Klagen an: Wo ist blieben mein Gespan? Wir haben Begraben

Ihn funden tot allein:

Hilft nichts I Es ist einmal gewiß,

Es muß gestorben sein!

Wie oft ist in der Geschichte der Menschheit das Leben durch den Tod interpretiert worden. Plato hat der Philosophie keine höhere Aufgabe zu setzen vermocht als die, ein Studium des Todes zu sein, und Millionen gläubiger Seelen sehen noch heute nichts anderes im Tode als einen Durchgang zum wahren Leben. Sie sagen dem Leben Nein und dem Tode Ja. Dann gibt es wieder Kinder der Welt, die es mit dem alten Salomo halten und sagen, daß das Licht süß sei und schön den Augen, die Sonne zu sehen.

Die Philosophie des Soldaten, wie sie sich in seinem Liede spiegelt, ist eine ganz eigene Philosophie. Wie sein Leben herausgehoben ist aus dem Leben ruhigen Bürgertums, so ist auch seine Philosophie emporgehoben über alle Philosophie: auch er interpretiert sein Leben durch den Tod, aber nicht, weil der Tod ihm ein neues, besseres Leben eröffnet, sondern weil es der Tod zu Tausenden ist, der einzige Tod, der kein Scheiden, sondern ein Beisammen­sein bedeutet:

Kein schönrer Tod ist auf der Welt, Im engen Bett sonst einer allein Als wer vorm Feind erschlagen Muß an den Todesreihen,

Auf grüner Haid im freien Feld Hier findet er Gesellschaft fein,

Braucht nicht hören groß Wehklagen: Fallen nnt wie Kräuter im Maien.

Das ist der Triumph aller Lebensbejahung, die nur noch durch den Vaterlandsgedanken eine Erhöhung erfahren hat. Dieser Tod ist nicht mehr ein Problem, das durch den Ausblick auf ein anderes Leben seine Deutung erhält, sondern hier interpretiert sich der Tod durch sich selbst und erhält dadurch einen eigenen Sinn und unvergleichlichen Wert:

Sterb ich als braver Held, Sterben ist mein Gewinn, Daß ich als braver Soldat Vorm Feind geblieben bin.

Damit erhebt sich die Soldatenphilosophie zu den Höhen der Menschheit, wo die Heroen wohnen, und uns, den Zurückbleibenden, die die Füße unter den warmen Herd strecken dürfen, bleibt nichts übrig, als uns zu beugen vor dem Heldentum unserer Tapferen und neidisch am Wege zu stehen, wenn wir sie reisergeschmückt hinausziehen sehen mit dem fröhlichen Sänge:

Es gibt nichts schönres auf der Welt, Kann auch nichts schöner sein, Als wenn Soldaten ziehn ins Feld, Wenn sie beisammen sein.