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Kriegerische Volkspoesie
Schande". Was Wunder, daß auch die Kriegspoesie jener Zeit dieses Unglück widerspiegelt. Von da her stammen denn jene freudlosen und traurigen Lieder von den „unsicheren Kantonisten" und Deserteuren:
Wo soll ich mich hinwenden Mit List hat man mich fangen,
In der betrübten Zeit, Als ich im Bett schlief ein,
An allen Ort und Enden Strickreiter kam gegangen
Ist nichts als Kampf und Streit. Ganz leis zu mir herein,
Rekruten findet man, Sprach: Bruder bist du da?
Soviel man haben kann: Ich bin von Herzen froh!
Soldat muß alles werden, Soldat mußt du nun werden,
Es sei Knecht oder Mann. Das ist nun einmal so.
Ade nun, Vater und Mutter! — Ade, mein lieber Sohnl Mußt dick zur Reis' bequemen Auf eine Festung schon. Regiert jetzt in der Welt Die Falschheit und das Geld! Der Reiche kann sich helfen, Der Arme mich ins Feld.
Und wer kennt nicht jenes andere wundervolle, von Brentano später
idealisierenderweise umgedichtete Soldatenlied:
Zu Straßburg auf der Schanz, Des Morgens um zehn Uhr,
Da ging mein Trauern an, Stellt man mich dem Negimente vor.
Da wollt' ich den Franzosen desertieren Ich soll da bitten um Pardon
Und wollt es bei den Preußen probieren, Und bekomm gewiß doch meinen Lohn,
Das ging nicht an. Das weiß ich schon.
Eine Stund Wohl in der Nacht, Ihr Brüder allzumal
Da Habens mich gebracht. Jetzt seht ihr mich zum letzten Mal.
Sie führten mich gleich vor des Hauptmanns Verschont mein junges Leben nicht,
sHaus Schießt tapfer, daß das rote Blut rausspritzt,
O Himmel, was soll werden daraus. Das bitt ich euch. Mit mir ists aus.
Auch „O Straßburg. o Straßburg, du wunderschöne Stadt" gehört in
jene Zeit, und die ergreisenden Verse von den Eltern sind gewiß aus dem Leben genommen:
Der Vater, die Mutter, Euern Sohn kann ick nicht geben
Die gingen vors Hauptmanns Haus: Für noch so vieles Geld,
Ach, Hauptmann, lieber Hauptmann, Euer Sohn, der muß marschieren
Gebt uns den Sohn heraus! Ins wett und breite Feld.--
Trotz dieser schmerzlichen Poesie aber hat es doch auch schon damals wieder kräftigere Töne gegeben, und zwar kamen sie immer dann auf, wenn der Soldat sich einen Helden nach seinem Herzen gefunden hatte, für den er durchs Feuer ging: so stammt der frische, frohe Sang vom Prinzen Eugen, dem edlen Ritter, aus jenen Tagen, und es ist nur zu bezeichnend, daß es ein Brandenburger, ein Soldat des alten Dessauer, war. der dieses Lied im Jahre 1717 erfand. Man steht, es ist nicht die Sache, die ihn begeisterte. — was kümmerte den märkischen Jungen der Türkenkrieg? — sondern die Persönlichkeit. Sang der Märker schon so in fremdem Lande an den fernen Ufern der Donau, wie mußte er erst singen, wenn eine solche Persönlichkeit im märkischen Sande erwuchs und der Kampf für seinen Helden ihm gleichzeitig ein Kampf für die Heimat war?
So verschwand die trübe und resignierte Stimmung wie mit einem Zauberschlage aus der Soldatenpoesie, als Friedrich der Große (1740 bis 1786) mit