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Belgiens Neutralität ^8 70
seine dilatorische BeHandlungsweise der französischen Ansprüche an. Seinem Bericht fügt er die Vermutung hinzu, daß Frankreich, wenn die Veröffentlichung in der Times nicht stattgefunden hätte, nach Vollendung seiner eigenen militärischen Vorbereitungen und der Preußens, den Vorschlag gemacht haben würde, den Benedettischen Entwurf an der Spitze zweier bewaffneter Armeen zu verwirklichen, das heißt einen sofortigen Frieden auf Kosten Belgiens zu schließen.
Bismarck hatte durch die Veröffentlichung in der Times Frankreich die Rolle des Angeklagten zuerteilt. Dessen erste Verteidigung auf die Publikation der englischen Zeitung war freilich recht schwach. Die französische Regierung begnügte sich, am 26. Juli im Journal officiel ihre Kenntnis von einem formellen französisch-preußischen Vertragsentwurf abzuleugnen, und gestand allein zu. daß nach dem Prager Frieden 1866 Besprechungen über den Entwurf eines Allianzvertrages zwischen Bismarck und dem französischen Gesandten Benedetti stattgefunden hätten. An einige der damals geäußerten Gedanken könnte das Aktenstück der Times erinnern; Napoleon habe aber alle Vorschläge der preußischen Regierung zurückgewiesen. Da Bismarck das Manuskript des veröffentlichten Dokumentes den ausländischen Diplomaten vorlegte, es photographisch vervielfältigen ließ und einwandsfrei Benedettis Handschrift auf französischem Papier offiziell festgestellt wurde, konnte jedoch die Beteiligung der französischen Regierung an der Gestaltung des Vertragsentwurfs jenseits des Rheins nicht mehr bestritten werden.
Benedetti versuchte nun in einem offenen Brief an Gramont wenigstens Bismarck zum eigentlichen Urheber der Kompensationsverhandlungen zu stempeln, der erst Frankreichs Auge auf Belgien gelenkt habe. Gramont nahm seine Beweisgründe auf und bemühte sich, sie wirkungsvoll zu unterstützen. Beide hatten keinen Erfolg. Die Erinnerung an die napoleonische Politik der letzten Jahre widersprach ihren Argumenten und Erklärungen. Frankreichs Streben nach Luxemburg 1867 hatte den Verdacht erweckt, daß Luxemburg eine Etappe auf dem Wege nach Belgien werden sollte. Im Jahre 1869 waren Napoleons Absichten noch deutlicher hervorgetreten, als er Belgien durch eine Eisenbahnkonvention von Frankreich abhängig zu machen suchte. Solche Tatsachen konnten die moralische Niederlage der französischen Diplomatie nur noch unterstreichen.
Für die augenblickliche politische Lage war vor allem wichtig die Wirkung der Publikation in England. Das Dokument der Times hatte sofort das Interesse des gesamten englischen Volkes wachgerufen. Am Abend des 25. Juli erfolgte eine Interpellation Disraelis, des Führers der konservativen Opposition im Unterhause. Gladstone, der englische Premierminister, mußte — ebenso wie der Minister des Auswärtigen Granville auf die Anfrage Stratfords im Oberhause — zurückhaltend antworten, da die aufklärenden Mitteilungen der von der Publikation betroffenen Mächte noch ausstanden. Die Erregung des englischen Volkes wuchs in den folgenden Tagen; englische Politiker machten eifrig auf die Gefahr aufmerksam, die England bedrohte, wenn Belgiens