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Maßgebliches und Unmaßgebliches
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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Maßgebliches und Unmaßgebliches

Politik

Zur italienischen Kvlonialpolitik. Ende 1912 oder Anfang 1913 brachte die be­deutendste italienische Kolonialzeitschrift, die Rivista coloninle einen Artikel über die Ziele und Aussichten der italienischen Kolonial­politik, wie sie sich nach der Erwerbung der nordnfrikcmischen Kolonie Libia (Tripolitanien und Cyrenaika) gestalteten. Sie hob hervor, nach der Erwerbung von Libia habe Italien nun drei Kolonien, nämlich außerdem noch Eritrea am Roten Meer, und Jtalienisch- Somäliland am Indischen Ozean.Wir müssen nun," sagte die Nivista,von den drei nuseinanderliegenden Punkten des italienischen Afrika (Libia, Eritrea, Somali- land) einen organischen Kolonisationsplan gleichzeitig von allen Seiten ins Werk setzen, und daran denken, daß eS dabei noch ein größeres und würdigeres Unternehmen gilt." Welches sollte nun diesesgrößere und wür­digere Unternehmen" sein? Das von einer italienischen Kolonialschrift zu hören, ist gerade in heutiger Zeit violleicht nicht uninteressant. Mau vergesse nicht," sagt die Rivista weiter, daß Libia nur dann eine große Kolonie werden kanu, wenn ihre wirtschaftlichen Schlüssel in unsere Macht gelangen durch geeignete Grenzberichtigungen und ein Vor­gehen bis zum Tschadsee. Man vergesse nicht, daß Eritrea und Somaliland nur zerstreute Fragmente einer geographischen und Poli­tischen Einheit sind, die in Zukunft in unsere Hände sallen kann, wenn wir uns dieser beiden wichtigen Ausgangspunkte zur rechten Zeit zu bedienen wissen. Man vergesse nicht, daß wir in Libia, wie in Eritrea und So­maliland zu Nachbarn eine süße lateinische Schwester*) (ciolce sorella wtirm) und eine traditionelle Freuudin"") (amios trsäizionale) haben, die aber unangenehm werden könnten, mit denen wir daher in einer näheren oder ferneren Zukunft uns auseinanderzusetzen haben werden."

"°) Frankreich. -'"") England.

Soll also aus den italienischenKolonial­fragmenten" eine geographische und Politische Einheit werden, so muß man sich mit der süßen lateinischen Schwester und der tra­ditionellen Freundin auseinandersetzen, die mit ihren Besitzungen eben den Zusammen­hang zwischen denFragmenten" unter­brechen. Zwischen Eritrea und Somaliland schiebt sich das französische Svmaliland (Obok-Dschibuti) uud das englische (Ber- bera). Zwischen Libia, den Tschad und Eritrea schiebt sich das französische Sahara­gebiet, der französische und der englisch­ägyptische Sudan. Die süße lateinische Schwester ging nach der italienischen Be­setzung von Tripolis energisch vor, um den Italienern die von der Rivista als notwendig bezeichnete Ausdehnung bis zum Tschad un­möglich zu machen. Sie befestigte sich in den Gebieten von Borku und Tibesti, und besetzte noch nach Ausbruch des Krieges Barakat bei Ghat in der Südwestecke Trivolitaniens. Wichtiger aber als diese Saharageviete wäre für Italien eineAuseinandersetzung" mit der lateinischen Schwester, die ihm das französische Gebiet von Obok-Dschibuti (Französisch-Somaliland) am Golf von Aden einbrächte. Dann hätte Italien den wichtigsten und besten Weg nach Abessinien in seiner Hand, deu Weg, der heute der Hauptweg ist, und der den beiden italienischen von Norden (Eritrea) und Süden (Jtalienisch-Somaliland) eine von den Italienern bisher nicht über­wundene Konkurrenz macht. Daß auf diesen: Wege auch andere Dinge als Waren nach Abessinien hineinkommen, haben die Italiener 1896 Wohl erfahren. Kein französischer Garibaldi eilte ihnen damals in ihrem Konflikt mit Abessinien zu Hilfe, sondern die süße lateinische Schwester war voller Freude über die italienischen Mißerfolge und beutete sie zum Vorteil ihrer Eingangspforte von Dschibuti gehörig aus. Die italienischen Pläne von Eisenbahnen nach Abessinien hinein sind bisher nur Pläne geblieben, die einzig wirklich vorhandene Bahn geht von der französischen Kolonie aus und zwar nach deni Teile Abessinieus, der unter den jetzigen