Der deutsch-englische Gegensatz
diese Tatsache stößt man immer wieder, welches Jahr des achten nnd nennten Jahrzehnts man auch herausgreift und mit der Gegenwart vergleicht.
Auch die Entwicklung des Gesamtaußenhandels zeigt ein ähnliches Bild. Von 1885 bis 1912 stieg er in England von 13.Z auf 27.4 Milliarden Mark, in Frankreich von 7,2 auf 11,7, in den Vereinigten Staaten von 5,5 auf 16.2 und in Deutschland von 6,2 auf 21,2 Milliarden Mark. Der auswärtige Handel ist demnach in dieser Zeit in Frankreich nur um etwa 60 Prozent gewachsen, in England hat er sich reichlich verdoppelt, in den Vereinigten Staaten ist er annähernd auf das Dreifache und in Deutschland fast auf das Dreieinhalbfache gewachsen. In derselben Zeit hat der gesamte Welthandel etwa um das Zweieinhalbfache zugenommen, aber der Anteil Frankreichs ist von einem Neuntel auf ein Elftel gesunken, derjenige Englands sogar von einem Fünftel auf ein Sechstel. Deutschlands Anteil am Welthandel aber wuchs um rund zwei Prozent von fast zehn auf annähernd zwölf Prozent des gesamten Welthandels. Zwei Prozent Zunahme in etwas mehr als einem Vierteljahrhundert, das klingt nicht nach viel, aber diese Zuwachsquote beträgt in absoluten Zahlen ausgedrückt mehr als drei Milliarden Mark.
Von weiterer Bedeutung und für die Beurteilung der Handelsentwicklung besonders wichtig ist aber etwas anderes: die Richtung, die der Außenhandel beider Länder genommen hat, ist eine ganz verschiedene. Rathgen hat für jedes Handelsland der Welt berechnet, ob in der Zeit von 1890 bis 1910 die Zunahme der Einfuhr aus Deutschland oder aus England eine größere war. Dabei kam er zu dem Ergebnis, daß in keinem europäischen Lande ausgenommen Rumänien und Griechenland die Einfuhr aus England abgenommen hat; aber in jedem europäischen Lande mit Ausnahme Portugals war die deutsche Einfuhr schneller gestiegen als die englische. Hingegen war für dieselbe Zeit die britische Einfuhr in außereuropäischen Ländern um ein Bedeutendes stärker gestiegen als die aus Deutschland. Eine Ausnahme machen hierbei, abgesehen von den deutschen Kolonien, nur einige Staaten Zentralamerikas. In dieser gegensätzlichen Handelsentwicklung kommen die Jnsellage und Kolonialherrschaft Großbritanniens und die Kontinentallage Deutschlands zum Ausdruck. Und es ist ganz richtig, wenn Rathgen bemerkt: Es wäre töricht zu glauben, daß der natürliche Vorteil der geographischen Lage Deutschlands im Herzen Europas durch einen Krieg geändert werden könne. Aber, so müssen wir hinzufügen, der handelspolitische Vorteil der Jnsellage Großbritanniens kann Einbuße erleiden, wenn Deutschland sich am Kanal festsetzt. Und ebenso kann der Stellung Englands auf dem Ueberseemarkt Abbruch geschehen, wenn es gelingt, seine Bedeutung als Kolonialmacht zu brechen. Englands Größe ist Englands Handel, aber Englands Handel ist auch seine Achillesferse und vielleicht hat Deutschland den Parispfeil in Händen, der Großbritannien tödlich verwunden wird.
Man muß auch hier wieder die Handelsstatistik anschauen. Es ist oft gesagt worden: England und Deutschland sind gegenseitig die besten Kunden. Englands