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Italien am Scheidewege
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wiesenen Umstände ab, daß Österreich das gute Einvernehmen und die Ab­machungen des Dreibundes verletzt habe, indem es Italien ohne Kenntnis seines Ultimatums an Serbien gelassen, beziehungsweise es erst davon in Kenntnis gesetzt habe, als der Bruch bereits erfolgt war. Es führt sein eigenes Verhalten vor Beginn des Feldzuges gegen Libyen als Beweis dafür an, daß seine Auffassungen von den gegenseitigen Pflichten der Dreibundmächte dahin gehen, daß keiner der drei Staaten eine kriegerische Aktion unternehmen dürfe, ohne sich mit den Verbündeten ins Einvernehmen gesetzt zu haben. Es wird einer späteren Zeit vorbehalten bleiben, durch Veröffentlichung diplomatischer Akten­stücke nachzuweisen, wie die Haltung Österreichs gegenüber Italien zur Zeit der Kriegserklärung an Serbien gewesen ist. Es darf angenommen werden, daß Italien in einer oder der anderen Form von Österreichs Absichten unterrichtet worden ist; anderenfalls hätte der verstorbene Marchese di San Giuliano dem Kaiserreiche nicht so offenbare Sympathien erwiesen. Keinesfalls scheint Österreich nach den Bestimmungen des Dreibundes verpflichtet gewesen zu sein, sein eigenes Verhalten in der serbischen Frage demjenigen Italiens anzupassen. Der Pakt des Drei­bundes sieht eine abwehrende und friedliche Politik voraus, enthält aber gewiß keinen Paragraphen, der verfügt, daß jeder der Kontrahenten sein eigenes Wohl und Wehe unter allen Umständen demjenigen des oder der anderen nach­stellen müsse. Ferner verfolgte Italien in Libyen und der Kyrenaika einen Eroberungszweck. Österreich unternahm die Ahndung einer politischen und persönlichen Beleidigung, keinen auf Ländergewinn berechneten Feldzug. Hat dieser einen Gewinn zur Folge, so ist dies nichts anderes als eine Bestrafung des Beleidigers, eine Schadloshaltung für die Kosten des Feldzugs, eine Gelegenheit, die Verhältnisse längs der österreichisch-ungarischen Grenzen so zu gestalten, daß den Streitsüchtigen die Lust und die Mittel benommen werden, von neuem zu beginnen. Italiens Haltung hätte sich nach der Deutschlands richten müssen, die zustimmend und wohlwollend, nicht drohend oder angreifend war. Wir setzten uns in Verteidigungsstellung und schlugen eiligst zu, als über Rußlands Absichten kein Zweifel mehr bestehen konnte. Seit vielen Jahren aber wartet das irredentistische Italien auf die Gelegenheit und einen Vorwand, vom Dreibunde loszukommen, wohl bemerkt, immer nur Österreichs wegen. Es glaubt, die Stunde der Möglichkeit habe jetzt geschlagen. Es sagt einfach. Österreich habe die Vertragsbedingungen gebrochen, es sei frei und Herr seines Geschickes, denn es sei gegen alles Völkerrecht, daß ein Vertrag Kraft behalte, sobald dadurch die eigenen Interessen gefährdet seien. Mit anderen Worten, die italienischen Hetzpolitiker wollen dem Volke glauben machen, Österreich werde seinen voraussichtlichen Sieg benutzen, um seine Grenzen bis Thessalien hinunter auszudehnen, und damit Italien ganz vom Balkan abdrängen. Hätten seine vernünftigen Politiker vom Schlage der di San Giuliano, Salcmdra, Giolitti und so fort, auch nur einen Augenblick gezögert, der überwiegenden Mehrheit des Landes zu Willen zu sein und offen den Dreibund als verfallen zu erklären,

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