Vom Disziplinarverfahren bei den nicht richterlichen Staatsbeamten Preußens
pon Professor Dr, Bünger-Görlitz
u einer gedeihlichen Entwicklung des Staates ist es notwendig, daß er alle Kräfte des Volkes zu einem einheitlichen Wirken zusammenfassen kann. Das vornehmlichste Werkzeug zur Durchführung des Gesamtwillens sind die Beamten. Für sie ist daher die Unterordnung des eigenen Willens unter den der Gesamtheit selbstverständliche Pflicht, und diese Unterordnung kommt zum Ausdruck im Gehorsam gegen den Vorgesetzten. Wer das nicht anerkennen will, ist zum Beamten nicht geeignet.
Dem gegenüber aber steht die Tatsache, daß der Beamte keine bloße Maschine ist und auch nicht sein darf; und so notwendig eine feste einheitliche Leitung des Ganzen ist, so notwendig ist auch die selbständige Verantwortlichkeit der unteren Organe für die Art der Ausführung und deren Anpassung an die ihnen anvertrauten Interessen. Unter Umständen müssen sie es als Pflicht empfinden, auf hervortretende Ubelstände hinzuweisen und für deren Abstellung einzutreten. Wo das gehindert wird, verlieren die leitenden Behörden den Blick für die tatsächlichen Verhältnisse, und die unteren Organe werden an rein äußerliche Anwendung der Schablone gewöhnt. Das führt zur Verknöcherung.
Erhöhte Bedeutung für das Gemeinwohl kann das Gefühl der selbständigen Verantwortlichkeit bei den Beamten in politisch erregten Zeiten erhalten. Es ist dann in ihm ein Schutz gegen einseitige Ausnutzung der Macht durch augenblicklich regierende Parteien gegeben.
Der hier ausgesprochenen Forderung, daß, unbeschadet der Gehorsamspflicht, die Selbständigkeit der Beamten gewahrt wird, entspricht unser Beamtenrecht auch im allgemeinen. Die grundsätzliche Unabsetzbarkeit sichert sie in hohem
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