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Christian Dietrich Grabbe
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Christian Dietrich Grabbe

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dazwischen, wo einmal der Dichter über ihm gestanden hatte. Ein einziges Wörtchen, ja es ist hier nur eine Apostrophe, kann die Stimmung vernichten und die zarte Vorstellung verzerren. In dein Zwiegespräch der Jungvermählten aus demTragischen Spiel"Nannette und Maria" findet Grabbe einmal zarte Töne sür die Freuden der Liebe, die der Ärmste nur in wilder Ver­gröberung kennen gelernt hatte. Lyrische Klänge erzittern durch die Sehnsucht des Mannes und die geheime Furcht Nannettens, der einzigen lieblichen Gestalt in Grabbes Werken.

Leonardo: O sprich weiter!

Wie Silbertropfen in die stille See,

So fallen deine Worte in die Brust I (Emporspringend)

Doch schau! Schon sinkt die Sonne! Nannette: Freut dich das?

Leonardo: Warum nicht? Geht mir dafür doch

Die Doppelsonne deines Busens auf.

Kühn, doch schön gesagt. Aber nun kommt der stillose, lüsterne Grabbe dazwischen, wenn Leonardo fortfährt:

Das wird 'ne helle Nacht!

Trotz innerer Zerrissenheit, trotz mangelnder Weltanschauung, trotz des Unvermögens, die Natur umzuschmelzen zu stilvollem Kunstwerk, bleibt Grabbe ein großer Dichter, ein völlig alleinstehender Dramatiker und ein Nurdramatiker. Was Jmmermann von ihm sagte, gilt heute, wie vor fünfundsiebzig Jahren:Der Geist der Geschichte selbst ist ihm erschienen und hat ihm manches Wort zugeflüstert." ^In Grabbe wird zum erstenmal die Geschichte selbst lebendig." (Herrig.) Das zeigen namentlich die Hohenstaufendramen, einzelnes im Hermann und die wenigen Stellen im Hannibal, die Grabbe nicht selbst durch geschmacklose Witze oder Brutalitäten verballhornt hat. Im Hannibal kann man auch von Stilkunst und Entwicklungsfähigkeit reden. Es ist die letzte große Erhebung und in mancher Weise zu vergleichen mit den beiden letzten finsteren, aschgrauen Bildern des Franz Hals; wie dieser, achtzigjährig,von außen verlassen, im Innern ohne den nötigen Halt" seine beiden letzten Regentenstücke schuf, so ging es auch Grabbe.Wie seine Mitmenschen ihm selbst nur das Notdürftigste zum Fristen des Lebens verabfolgten, so bewilligte der achtzigjährige Greis den Gestalten in diesen letzten Gemälden auch gerade nur so viel Zeichnung, so viel Farbe, um sie als Menschen, als lebendige Menschen erscheinen zu lassen." (Bode.) Grabbe wurde sparsam in: Aufwand von Worthaufen, er setzte nicht mehr Himmel und Erde in Bewegung, um einer Leidenschaft die Fackel zu halten; und wenn er der realen Bühne leider fremd geblieben ist, so lassen die schon vorhandenen Einrichtungen und das ganze gegenwärtige Suchen nach freierer Bühnengestaltung doch hoffen, daß Grabbe für die Bühne endgültig wird gewonnen werden können.

Ihm fehlt jede persönliche Lyrik: kein Liebesgedicht, kein lyrisch angehauchter Brief! Und kein lyrischer Anklang in der Handlung oder der Situation, der