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Reichsspiegel :
(Vom 14. bis 20. August)
Seite
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Reichsspiegel

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Sabotage können nicht die Repressivmaßregeln des Staates, sondern nur Verant­wortlichkeitsgefühl und Disziplin schützen. Und hieraus ist denn zu ersehen, wie kurzsichtig die englischen Eisenbahnverwaltungen gehandelt haben, wenn sie die von Lloyd George vor vier Jahren eingeführten Einigungsämter derart zu benutzen und zu beeinflussen wußten, daß die Angestellten über deren Parteilichkeit in Empörung gerieten. (ZuicZczuici clelilAnt reZeZ plectuntur ^om'vi: die Folgen einer solchen im höchsten Grade unsozialen Geschäftspolitik hat jetzt das gesamte Land zu tragen. Es ist auch uns nützlich, diese Entwicklung vor Augen zu haben und aus ihr zu lernen.

Die Börse bedarf unter diesen Umständen aller Widerstandskraft, um nicht ganz aus der Fassung zu geraten. Erneute Kursrückgänge, insbesondere auf dem Montanmarkt, waren natürlich um so weniger vermeidlich, als die New-Iorker Börse ihre Ruhe noch nicht wiedergefunden hat, sondern in unvermitteltem Tendenz­wechsel die Kurse auf und niederschwanken läßt. Es bestätigt sich aber immer mehr die Mutmaßung, daß diese Kursbewegung hauptsächlich das Resultat von Opera- tionen der Großfinanz ist, wie hier bereits ausgeführt wurde. Angeblich soll aus dem Nachlaß des verstorbenen Eisenbahnkönigs Harriman, des Beherrschers der Union Pacific, in erheblicher Menge Material auf den Markt geworfen worden. Wie dem auch sei. die wirtschaftlichen Aspekten der Union stehen günstig, und lassen einen Pessi­mismus gerade jetzt als wenig angebracht erscheinen. Insbesondere ist die Besserung in der Eisenindustrie unverkennbar und die allenthalben eintretenden Preissteigerungen beweisen, daß erfreulicherweise die Lage des Weltmarktes eine gesündere geworden ist und der Verbrauch zunimmt. Wir haben daher auch keine Veranlassung, hin­sichtlich der Weiterentwicklung unserer einheimischen Industrie trübe zu sehen. Bleibt der Frieden erhalten, so wird die Besserung der Konjunktur der Industrie ganz von selbst über die Schwierigkeiten hinweghelfen, mit denen sie jetzt noch zu kämpfen hat. Die Frage der Erneuerung der Verbände, die jetzt so vieles Kopf­zerbrechen verursacht, wird dann, nach früheren Erfahrungen zu urteilen, sich im Handumdrehen lösen, so laut auch noch die Stimmen derer tönen, die in einer Erneuerung der Verbände nur die Durchfütterung schwacher Elemente auf Kosten der leistungsfähigen erblicken. Diese möchten je eher je lieber die Eisenindustrie vertrustet sehen; wenige gemischte Riesenbetriebe, die auch unter ungünstigen Ver- Hältnissen durch die Herabdrückung der Selbstkosten noch lohnend arbeiten können und denen eine Verständigung unter einander alsdann nicht schwer fallen würde. Unleugbar drängt die Entwicklung jetzt nach diesem Ziel; doch wäre aus Gründen naheliegender Natur die Ausbildung einer monopolistischen Industrie ein höchst unerwünschtes Ergebnis, dem denn auch weder der Staat noch die Allgemeinheit ruhig zuschauen dürften. Doppelt erfreulich ist es daher, daß die aufsteigende Konjunktur Diskussionen über dieses Thema ersparen wird; denn die Gunst der Machtlage wird selbst für einen schleunigen Zusammenschluß der Interessenten sorgen.

Mit dem Herannahen des Herbstes bildet der Geldmarkt den Gegenstand aufmerksamer Beobachtung. Einstweilen sind die Geldsätze noch vergleichsweise niedrig, wenn sie auch in der letzten Zeit eine Anspannung erfahren haben. Dies dürfte damit zusammenhängen, daß infolge der frühzeitigen Getreideernte die regelmäßigen Herbstbedürfnisse sich schon geltend zu machen beginnen. Auch ist