Beitrag 
Reichsspiegel :
(Vom 17. bis 23. Juli)
Seite
188
Einzelbild herunterladen
 

188

Reichsspiegel

machen. Die Bevölkerung hat sich im übrigen im öffentlichen Leben ausgezeichnet bewährt, wie die Leistungen der Gemeinden und des mit beschränkten Rechten ausgestatteten Landesrats beweisen. Im wirtschaftlichen Leben eines werdenden Gemeinwesens mit so schwerer Vergangenheit, wie sie Südwest über sich ergehen lassen mußte, wird es im einzelnen natürlich noch manche Fehlschläge und da und dort auch gescheiterte Existenzen geben. Nur Lokalpolitiker mit engem Horizont, wie sie anscheinend die Gewährsmänner von Carl Peters waren, werden darin mehr als Einzelerscheinungen sehen. Peters hat auch ganz vergessen, daß die von ihm als Muster herangezogenen britisch-südafrikanischen Kolonien teilweise noch mit einer viel größeren Schuldenlast zu rechnen haben als Südwest und auf eine viel längere Entwicklungszeit zurückblicken. Zu so pessimistischer Auffassung, wie sie Peters vertritt, ist bei Südwest keine Veranlassung.

Ob sich die durch die Zeitungen gemeldeten Überfälle in Südlvest- und Ost­afrika bestätigen werden, bleibt abzuwarten.

In Ostafrika geht alles seinen alten Gang leider! Nachdem Gouverneur v, Rechenberg die Nordbahn nach dem Kilimandscharo mit der Begründung unter Dach gebracht hat, sie sei im Interesse der Besiedlung der Kolonie notwendig, ist er anscheinend zu seiner alten Politik der Abneigung gegen die Besiedlung zurück­gekehrt. Dafür gibt es zahlreiche Belege. Desto lebhafter ist er in der Fürsorge für die Farbigen, namentlich die Herren Inder, wie u. a. die jüngst erfolgte Begnadigung einiger indischen Hochverräter beweist, die von Rechts wegen wie die von ihnen verführten Schwarzen an den Galgen gehört hätten, aber mit mäßigen Freiheitsstrafen davonkamen. Überhaupt werden die Verhältnisse in dieser Kolonie immer unsympathischer. Wenn die Politik eines Gouverneurs so widerwärtige Vorgänge zeitigt, wie den Beleidigungsprozeß v. Roh und den Meineidsprozeß gegen einen Regiernngsrat und Referenten beim Gouvernement, so ist eine durch­greifende Änderung unerläßlich. Wundern muß man sich nur, mit welcher Gleich­gültigkeit der Reichstag seit Jahren dem unerquicklichen Verhältnis zwischen dem Gouverneur und dem Deutschtum in Ostafrika gegenübersteht.

Ähnlich liegen die Dinge ja in Samoa, nur mit dem Unterschied, daß dort eine Verständigung noch möglich wäre, wenn dort der Gouverneur von allerlei vorgefaßten Meinungen abgehen wollte. Immerhin hat Dr. Solf sich bei seiner Politik etwas gedacht, wie man in kurzer Unterhaltung mit ihm bald merkt. Es ist nicht nur Halsstarrigkeit, wie bei Herrn v. Rechenberg, was ihn bisher bei seiner farbigenfreundlichen und besiedlungsfeindlichen Politik beharren ließ. Man muß ihm zugeben, daß seine Bedenken gegen eine Besiedlung mit kleinen Leuten nicht ganz unberechtigt sind, wenn man die in Samoa im vollsten Sinne des Wortes gemischte Europäcrbevölkernng in Betracht zieht. Aber wenn er anderseits sich vergegenwärtigt, wie weit die Dinge durch sein laisser raire Wis8er aller gediehen sind, daß ein Deutscher, wie Dr. Reinke, der sich erlaubt, in einer Zeitung gegen das Mischlingswesen zu Felde zu ziehen, in Gefahr gerät, von der Misch­lingsbevölkerung gelyncht zu werden, und in Schutzhaft genommen werden und aus der Kolonie entfernt werden muß, so wird er selbst zugeben müssen, daß hier Wandel geschaffen werden muß. Und der einzige Weg dazu ist eine ausgesprochene deutsche Besiedlung, nicht mit kleinen Leuten in unserem Sinne, sondern Farmern mit etwa 40000 bis 50000 Mark Vermögen. Liebhaber für eine derartige Kolo-