Till Eulenspiegol
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für die beste von allen ihn: bekannten Bearbeitungen des Eulenspiegelthemas; Dr. Krack rühmt daran, daß hier aus dem bunt zerflatternden Eulenspiegelstoff ein in sich geschlossenes dramatisches Gebäude aufgerichtet ist, und sügt hinzu, das müsse jeder anerkennen, der nur eine Ahnung von Bühnenschriftstellerei habe; Harrn Waiden schreibt mir, er sei mit mir der Meinung, daß es sich hier um eine starke Erfolgsmöglichkeit handle; Karl Clewing hat das Stück als ein hervorragend gutes Lustspiel bezeichnet.
„Ja, wie kommt es," fragt sich der unbefangene Mensch, „daß ein Stück, das von Fachleuten, ja von solchen, die so nahe der entscheidenden Stelle sitzen, gut beurteilt wird, nicht schon seinen Platz gefunden hat? Wie kommt es überhaupt, daß dieses und jenes gute Stück nicht aufgeführt wird?"
Ja, wie kommt es? — Das ist die große Frage.
Die Antwort ist schwer und kaum zu geben. Als Angehöriger einer Bühne muß ich mich auf eine grundsätzliche Erörterung beschränken. Erklärungen gibt es eine ganze Reihe; jede fängt an einem anderen Zipfel an, aber alle sind sie nicht lang genug, um im Zentrum des Themas zusammenzutreffen und im Schnittpunkt eine Antwort zu ergeben. Eine Haupterklärung ist wohl die, daß es kaum ein Theater gibt, das in seinen wichtigen Entscheidungen wirklich frei wäre. Die einzigen, die es materiell könnten, die Hoftheater, sind zumeist die abhängigsten. Angenommen den Fall, ein Theaterleiter stimmt dem günstigen Urteil seines Dramaturgen über ein unbekanntes Stück zu und hat den Wunsch, es aufzuführen, so tauchen unverzüglich Fragen wie diese auf: Kann ich das Stück gut besetzen? Welche Aufführungsverpflichtungen liegen überhaupt schon vor? Welche für diese Saison? Läßt sich das neue Stück diesen: Spielplan einfügen, ohne mit dem Interesse (durch Thema, Typus, Besetzung usw.) eines der vorhandenen Stücke zu kollidieren? Was kostet das Stück an Ausstattung? Welche Kosten haben wir bereits für die im Spielplan festgesetzten Stücke veranschlagt? — Ergibt es sich dann, daß das Stück auf eine spätere Zeit verschoben werden müßte, so ist schon das Interesse abgeschwächt — denn das Theater ist seinem Wesen nach auf den Augenblick gestellt, und alle Kräfte sind naturgemäß auf das zunächst Vorliegende gesammelt — nächste Saison ist schon einigermaßen cura postenor. Freilich, ein gewissenhafter Direktor sorgt vor; aber immerhin: „nächste Saison" — die Entscheidung drängt nicht so, Vertagung, Verzettelung, Beiseitelegen auf ein höheres Brett — Vergessenheit. Der Autor erkundigt sich, erst schriftlich, dann persönlich, zufällig an einem Tage, wo das ganze Theater überlastet ist von einer momentanen Wichtigkeit, einer Generalprobe oder ähnlichem — den Rest kann man sich denken. „Ja, aber," sagt der normale Mensch, „es muß doch möglich sein, Ordnung zu halten, auch bei starkem Betrieb. Jede Fabrik kann doch das." Gewiß, aber das Theater ist (noch) keine Fabrik, ist, wie gesagt, von: Augenblick abhängig, und dieses Augenblicksleben steckt an; nur sehr kräftige Naturen mit eisernem Ordnungssinn bleiben davon unberührt. Und was ungeheuer wichtig ist — die Gesamtauffassnng