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Der Kampf der Bildungsideale
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Der Kampf der Bildimasidealc

eben von den Zahlungsfähigen als das ihnen Geinäße in Anspruch genommen. Es war ja keine Schande für Deutschland, daß höhere Bildung nnd höherer sozialer Rang zusammenfallen sollten. Aber ein Fehler war es gleichwohl, daß man darauf verzichtete, Arten der Begabung sowie der Bildung recht zn unter­scheiden, und daß man meinte, es könne sich immer nur um ein Höher oder Niedriger handeln. Der Übergang von einem Gymnasium auf irgendeine der Reallehranstalten" bedeutete eine Demütigung, eine Resignation. Und er konnte das in der Tat bedeuten, sofern die Anstalten dieser Art sich mit minder­wertigerem Tun und Können begnügten, sofern sie die ihnen möglichen Ideale nicht recht ergriffen und namentlich nicht gedeihlich verfolgt hatten, sosern sie etwa auch tatsächlich sich mit oberflächlicheren Geistern begnügen mußten.

Ohne daß man die innere Sachlage klar erkannte, hat man denn doch nach und nach eine Mannigfaltigkeit höherer Schulen nebeneinander aufkommen lassen, vielleicht mehr nachgebend als weitblickend, wohl immer mit den: Ge­danken an einen Gradunterschied des Wertes und an Zugeständnisse, die prak­tischen Lebensbedürfnissen zu machen seien. Der sogenannte Schulfriede von 1900 hat die herrschende Schätzung der Schularten wenig zu beeinflussen vermocht. Es ist eine sehr beachtenswerte Zahl unserer Gebildetsten, bei denen das Ver­trauen in das Gymnasium unerschüttert blieb. Aber was anderseits an Unmut auch dieser Anstalt gegenüber lebendig ist, läßt sich doch nicht ausschließlich auf Rechnung der Oberflächlichkeit schreiben. Tatsache ist eben, daß die Unterschiede der Natnranlage nicht recht gewürdigt werden nnd daß man darüber nicht wirklich zur sauberen Scheidung kommt, so wenig wie zur wünschenswerten inneren Ausgestaltung der Schularten.

Will man zunächst von feineren Unterschieden der Wesensanlage absehen, so lassen sich zwei Haupttypen einander gegenüberstellen, die etwa folgender­maßen zu kennzeichnen wären. Die einen sind dafür geschaffen, eine vorhandene geistige Kultur, namentlich eine wertvolle Gedankenwelt zu rezipieren und sich zu assimilieren, auch durch alle Schwierigkeiten der Form und des Ausdrucks hindurch. Sie werden davon belebt; ihr eigenes Innenleben rankt sich an dem Gegebenen empor. Wie sie sich von vielerlei Gedanken durchdringen lassen, so befähigen sie sich auch ihrerseits, denkend die Welt zu durchdringen, und die Welt ist ihnen wesentlich die des Geistigen. Ihr Interesse gilt dann wohl den inneren Entwicklungszielen der Menschheit, und ihr eigenes Wollen ordnet sich gemeinsamem derartigen: Streben ein. Oder sie münden mehr ein in das Ästhetische, zunächst etwa bei der Pflege sprachlichen Ausdrucks für mannigfach bewegten geistigen Inhalt. Sie haben Freude an dem Wissen namentlich auch um das Entfernte, Vergangene, bloß Gedachte oder Gefühlte. Sie streben im günstigen Falle zu festem Zusammenhang, zu einen: systematischen Aufbau des Erworbenen und Gedachten, und dabei ist ihnen das Kleine nicht unwesentlich, das bloß Formale nicht unsympathisch. Diesem Typus steht durchaus gegen­über derjenige der Menschen mit dem offenen Blick für die umgebende Welt