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Der Kampf der Bildungsideale
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wertig seien, diese Meinung liegt zwar vielen Inhabern eines engen Gesichts­kreises nahe (und große Gelehrsamkeit schützt vor dieser Enge nicht), aber sie läßt sich nicht halten. Neben dein verschiedenen Untergrund der Zeiten und der Nationen gibt es nuu aber noch anderes, was ein Auseinandertreten der Bildungs­ideale bewirk und rechtfertigt. Um es sogleich zu sagen: die ganze Entwicklung der neueren Psychologie wie die der kulturellen Verhältnisse weist darauf hin. Ist das letztere längst irgendwie empfunden worden, so wird das erstere erst neuerdings recht deutlich und, wie es scheint, bis jetzt noch keinen: weiten Kreise. Es gilt also, das Recht verschiedener Ideale zu erkennen und jedem derselben sein Gebiet zuzuerkennen. Dem Kampfe kann sehr wohl der Friede folgen, wenn auch nicht so wenig wie zwischen kciegsfähigen Staaten ein ewiger Friede, der der Menschheit nirgendwo bestimmt und für den sie selbst nicht geschaffen ist. Eigentlich strebt man ja auch seit längerer Zeit nach friedlichen Abschlüssen, man glaubt von Zeit zu Zeit, sie nun verwirklicht zu haben. Aber die Unruhe geht weiter. Denn die Frage ist nicht in der Tiefe angefaßt.

Kampf um das rechte Bildungsideal hat es auch in der Vergangenheit oft genug gegeben, Kampf zumeist zwischen Altem und Neuem, wobei denn das Nene oft zunächst nur als die zufällige Forderung einzelner eigenwilliger Personen erschien. Im alten Griechenland setzten die Sophisten ihr Ideal gegen das der überlieferten Bildungsweise, aber Plato wieder ein anderes gegen das der Sophisten, und jede der folgenden Philosophenschnlen brachte das ihrige aus sich hervor, um es durch ihre Jüngerschaft der Welt zu empfehlen, übrigens Ideale nicht bloß der intellektuellen Weltanschauung, sondern zugleich der innersten Stellung zum Leben nebst der persönlichen Lebensführung. In Rom suchte sich zu des älteren Cato Zeit das überlieferte Erziehungsideal der ein­dringenden griechischen Bildung zu erwehren; aber überall im großen Römer­reich kam der Hellenismus über die einheimischen Bildungsrichtungen. Auch die ersten Jahrhunderte des Christentums oder vielmehr eine ganze Reihe dieser Jahrhunderte enthalten, wenn auch mehr in der Stille, diesen Kamps um den Bildungsinhalt; zwischen Klosterschule und Ritterburg findet weiterhin vielfach ein Wettbewerb um die zu bildenden jungen Seelen statt, oder zwischen byzantinischer Verfeinerung und germanischer Kraftübung. Die Menschen der Renaissance erhoben ihre Losung gegen den Geisteszustand der Mittelalterlichen, die viel­belesenen Humanisten gegen das, was sie Barbarentum nannten, die Anhänger höfischer Adelsbildung gegen das allmählich erstarrte, das buchmäßig weltfremde, das pedantisch freudlose Humanistentum des siebzehnten Jahrhunderts, die Philanthropen von Basedows Art gegen die herbe Zucht in Familien wie Schulen, die Neuhumanisten wandten sich mit ihrem schönen Traum vor der Erneuerung des antiken Menschentums gegen alles, was ihnen banausisch beuchte. Und allmählich schien sich der Gegensatz wesentlich in zwei bestimmte Schul­bildungswege hineingezogen und in ihnen verkörpert zu haben: humanistische Gymnasien und Realschulen traten sich gegenüber.