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Wahlrecht und Wahlpflicht der Nichtwähler
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Wahlrecht und Wahlpflicht der NichtWähler

von s, vom Werth-Steglitz

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ier frühere Minister Herrfurth behauptete bereits 1896 in den Nrn. 1 und 2 der Deutschen Juristenzeitung, die Wahlpraxis in Deutschland entspreche nicht der Verfassung, da mehr als ^ein Viertel der Wahlberechtigten ihre Stimme zurttckhalteu und ^ dadurch das Wahlergebnis illusorisch machten. Herrfurth empfahl als Korrektiv dieses Wahlrechtsfehlers die Wahlpflicht. Aber sein Ausführungs­vorschlag wurde zurückgewiesen, da hierdurch ebenfalls keine Abhilfe geschaffen sei, weil jedem Wähler das Recht verbleibe, seinen leeren Stimmzettel abzugeben. Demgegenüber empfahl Justizrat F. Karl-Saargemünd am 15. Februar 1903 im Tag unter der Überschrift:Wahlbeteiligung und Wahlpflicht" einen andern Weg, um ein richtiges Spiegelbild der öffentlichen Meinung durch die Wahleu zu erhalten, das auch geeignet sei, die jetzige verfassungswidrige Wahlkreis­einteilung zu paralysieren. Karl glaubte eine Lösung des Wahlproblems im Artikel 29 der Verfassung zu finden, wonach die Mitglieder des Reichstags die Vertreter des ganzen Volkes sein sollen, also nicht die Vertreter von örtlich, ständisch oder politisch abgegrenzten Kreisen! Es sei daher nur logisch, wenn neben dem aktiven Wähler auch der inaktive Wahlberechtigte zur Geltung käme, yui taeet, eonsentirs viäetur! Nach diesem Rechtsgrundsatz falle der dem Wahlberechtigten verfassungsgemüß übertragene Teil der Negierungsgewalt zurück an die Reichsregierung, als der Exekutive der Gesamtheit, falls der Wahl­berechtigte von seinem Mandat keinen Gebrauch machen wolle.

Bei Nutzbarmachung des heimgefallenen Wahlrechts der nicht abstimmenden Wahlberechtigten würde nach Karl die sachgemäße Erledigung der parlamen­tarischen und legislativen Geschäftsführung materiell und formell sehr gewinnen. Ein beschlußunfähiges Hans würde kaum vorkomme», da jedermann am Platze sein müßte, um gegenüber den Stimmen der Neichsregiernng seine Stimme zur Grenzboten III 1911 7