Neue Faktoren und Tendenzen in der tveltpolttik
hineingezogen ist in dasselbe weltgeschichtliche Getriebe, eine Mehrzahl von Weltmächten nebeneinander bestehen kann. Man hatte noch nicht begriffen, daß jede kulturell vorwärts strebende, mit ihrem produktiven Schaffen und ihrem Konsum über den eigenen Boden hinauswachsende Macht sich emporarbeiten kann zu einer weit umher auf dem Weltmarkte interessierten Weltmacht, ohne deshalb doch etwa eine eigentliche Weltherrschaft erstreben zu brauchen oder auch nur zu dürfen!
Daß die Weltgeschichte auch nach europäischer Auffassung sich nicht mehr erschöpfen konnte in der Erhaltung des europäischen Gleichgewichtes, sondern daß die Bewohner fremder Erdteile ihre vollwichtige Rolle in der allgemeinen Weltgeschichte spielen, das begann uns zu dämmern im Verlaufe des japanisch- chinesischen Krieges von 1894/95 und deutlicher zu werden im amerikanischspanischen Kriege von 1898. Es wurde uns vollends klar gemacht durch die Ereignisse des russisch-japanischen Krieges. Heute ist es jedem Politiker in Fleisch und Blut übergegangen, daß er neben den europäischen Mächten die Vereinigten Staaten von Nordamerika und Japan in jede weltpolitische Rechnung einzustellen hat. Unser Horizont ist geweitet; und wie wir begriffen haben, daß jene Länder keine geringere Berücksichtigung erheischen als die alten Großmächte, so werden wir uns auch mehr und mehr daran gewöhnen, zu den Ländern, die in der zweiten Machtkategorie stehen und im weltpolitischen Getriebe der Zukunft auch die Rolle aufrückender Staaten zu spielen in der Lage sein könnten, neben europäischen auch asiatische und amerikanische Länder in Betracht zu ziehen.
Das Hauptaugenmerk aber richtet sich außerhalb Europas einstweilen auf Japan und Nordamerika. Die Interessensphären dieser beiden Länder nähern sich einander immer mehr; ihre Neibungsflächen vergrößern sich immer mehr, und vieles deutet darauf hin, daß die Zukunft ein großes Austragen der Gegensätze im Stillen Ozean bringen könnte. In dem scheinbar bevorstehenden Besitzkampfe nm den Stillen Ozean treten Amerikaner und Japaner einander immer näher. Es ist sehr interessant, zu beobachten, bis zu welchem Grade das schon von dem ersten Napoleon geprägte Wort vom „Mittelmeer der Zukunft" sich bewahrheitet. Die Randländer des europäisch-afrikanischen Mittelmeeres sind an politischer Bedeutung mehr und mehr zurückgetreten hinter den Nand- ländern des Atlantischen Ozeans; und nachdem die Randländer des Stillen Ozeans zunächst wirtschaftlich zusehends wichtiger geworden sind, haben auch diese begonnen, in den Gang der weltpolitischen Ereignisse entscheidend einzugreifen.
Die ostasiatisch-westamerikanischen Beziehungen werden wirtschaftlich immer reger, aber zugleich politisch immer gespannter. Die starke Vermehrung, die der japanischen Handelsflotte im Verlaufe des ostasiatischen Krieges wegen des Bedarfs an Transportschiffen zuteil geworden ist, wurde im Frieden alsbald benutzt, um die regelmäßigen japanischen Schiffahrtslinien nach allen Seiten auszudehnen. Der gesamte chinesisch-amerikanische Handel soll unter die japanische