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Gedanken zmn neue» Hceresetat
Eigentümlichkeiten der einzelnen Völker so ziemlich die Wage. Über die moralischen Faktoren läßt sich im voraus kein sicheres Urteil gewinnen, und auf welcher Seite der gottbegnadete Feldherr stehen wird, der die Probleme des Zukunftskrieges lösen wird und der es versteht, mit divinatorischen Blicken die Schwäche des Gegners zu entdecken und die verschiedenen Teile seines Heeres dagegen zu einheitlichen: Wirken zusammenzufassen, das kann erst der Zukunftskrieg selbst zeigen. Jedenfalls ist im Augenblick keine Partei berechtigt, dieses Genie für sich in Anspruch zu uehmen und in der Hoffnung auf dessen Führung den Ausbau der Streitkräfte im Frieden zn vernachlässigen. Auf einen Friedrich den Großen folgte ein Napoleon und auf diesen ein Moltke. Bei der Unsicherheit aller dieser Verhältnisse bildet allein die numerische Überlegenheit im Zusammenhang mit der technischen Ausbildung einen sichern Faktor, mit dem die Heeresverwaltung schon im Frieden rechnen kann. So ist man nicht berechtigt, dein Streben nach einem möglichst zahlreichen Heer und nach einer möglichst intensiven Heranziehung der vorhandenen Wehrkräfte die Berechtigimg abzusprechen und sie mit dem spöttischen Ausdruck „raM äu nombre" abzutun. Eiue Heeresverwaltung, die diesen Gesichtspunkt außer acht lassen wollte, würde sich einer schweren Unterlassung schuldig machen. Mit Recht würde ihr später der unglückliche Ausgang eiues Feldzuges zugeschoben und sie dafür verantwortlich gemacht werden. Bei aller Anerkennung der großen Tapferkeit unseres Heeres im Jahre 1870/7l und seiner genialen Führung muß doch immer wieder darauf hingewiesen werden, daß wir unsere Erfolge zn einein großen Teile unserer numerischen Überlegenheit verdankt haben.
Nun sind aber im Staate nicht allein die militärischen Gesichtspunkte maßgebend. Diese können nur im Zusammenhange mit allen anderen Verhältnissen beurteilt werden. Die Aufwendungen, die der Staat für Heer und Flotte macht, sind abhängig von den vorhandenen Mitteln. Die kulturelleil Aufgaben des Staates dürfen dadurch nicht beeinträchtigt werdeil. Somit kann auch bei der neuen Militärvorlage nicht einseitig alles das eingestellt werden, was überhaupt militärisch wünschenswert ist, sondern bei unserer schlechten Finanzlage nur insoweit, als dies durchaus notwendig ist. Um dies richtig beurteilen zu können, muß man die Wehrkräfte der voraussichtlichen Gegner in Betracht ziehen. Da ist zunächst festzustellen, daß Frankreich bereits au der Grenze seiner Leistungsfähigkeit angelangt und nicht mehr imstande ist, sein Heer zu vergrößern. Es ist schwer, darüber genau zutreffende ziffermüßige Angaben zu machen, weil die Maisstärken dort nur auf dem Papier zu stehen pflegen und in Wirklichkeit bei weitem nicht erreicht werden. Um die jetzige Heeresstärke auch nur einigermaßen aufrecht erhalten zu können, haben die Franzosen bereits zu den weitgehendsten Maßnahmen greifen müssen. Hierzu gehört die Einstellung der Mindertanglicheu in die sogenannten Hilfsdienste; die Heranziehung aller Wehrpflichtigen ohne jede Ausnahme; die stärkere Belastung der Kolonisten in Nordafrika und der neuerdings gemachte Versuch,