Von unserer Rechtssprache
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Don unserer Rechtssprache
as Juristendeutsch steht bekanntlich nicht im besten Rufe, Man beschuldigt es der Schwerfälligkeit, der Steifheit, der Unklarheit und UnVolkstümlichkeit. Ganz gewiß sind diese Vorwürfe nicht ohne Grund erhoben worden. Es ist aber anzuerkennen, daß es in den letzten Jahren wesentlich besser geworden ist, und daß die Männer des Rechtes und der Verwaltung den Bestrebungen nach Verbesserung der Sprache der Gesetze und der behördlichen Verfügungen im allgemeinen eine rege Teilnahme entgegenbringen. Übrigens sind die Juristen nicht die einzigen, welche Sünden gegen die deutsche Sprache auf dem Gewissen haben, auch andere Stände, die Gelehrten nicht ausgenommen, sind nicht frei davon; ich könnte auf Verlangen mit Beispielen aufwarten.
Bei der Beurteilung der juristischen Sprache wird manchmal verkannt, daß jeder Berns genötigt ist, sich eine Art von Fachsprache zn schaffen. Die Ausdrücke der allgemeinen Schriftsprache sind zuweilen mehrdeutig und müssen für den fachtechnischen Gebrauch in einem bestimmten Sinne festgelegt werden. So hat z. B. Reaktion einen besonderen Sinn in der Chemie und ebenso in der Politik; so wissen wir, was wir unter Niederschlägen in der Meteorologie und unter niederschlagenden Mitteln in der Pharmakopöe zn verstehen haben. Auch das Recht und die Rechtswissenschaft hatten immer und bei allen Völkern ihre Fachsprache. In unseren alten Nechtsbüchern, insbesondere im Sachsen- und Schwabenspiegel, finden sich prächtige Ausdrücke, iu denen volkstümliche Kraft und zuweilen selbst eine gewisse Poesie liegen, z. B. wilde wäge (das ungeregelte Wasser), ze hals und hant, Hut und hür usw. Derartige Wortverbinduugen und Formeln liebt unser Volk noch heute (z. B. niet- und nagelfest u. dgl.); sie prägen sich seinem Ohre ein. Es würde gewiß nicht schaden, wenn so manches ante alte deutsche Wort, das noch lebendig ist und wohlklingt, der Rechtssprache soweit möglich erhalten würde, und ich möchte die manchmal gewünschte Ausschließung aller altertümlichen Ausdrücke nicht befürworten; sie können der Nechtssprciche unter Umständen eine gewisse Würde und Feierlichkeit geben, die wir ja auch den gerichtlichen Verhandlungen zu verleihen suchen. Dem Konkurs und Termin würde ich z. B. das alte Gant und Tagfahrt, die wir in Baden noch hatten, entschieden vorziehen.
Durch die Einführung des römischen Rechts wurde mit dem alten Recht auch die alte Rechtssprache verschüttet. Die Ausdrücke des römischen Rechts wurden herübergenommen und meist sklavisch tren ins Deutsche übertragen. Ich erinnere mich, daß in meiner Jugend der clolug, der im Strafrecht eine große Rolle spielt, das bewußte Wollen des Unrechts im Gegensatz zu culpa, Fahrlässigkeit, noch mit Arglist übersetzt wurde.
Das Strafgesetzbuch des Deutschen Reichs sagt für ckolus und dolos Vorsatz und vorsätzlich. Vorsatz bezeichnet die Willensentschließung. Mau uimmt sich vor, etwas zu tun oder zu lassen. Im Gegensatz zur vorsätzlichen Tat steht die fahrlässige, welche nicht mit Vorsatz, aber mit Unterlassung der schuldigen Aufmerksamkeit vollführt wird. Die vorsätzliche Tat geschieht entweder mit oder ohne Überlegung (im Affekt, wie man noch zu sagen pflegt; in der Erregung, wie mau sagen könnte). Am eingreifendsten ist diese Unterscheidung bei deu Verbrechen