Ist die Anstellung von Reich-Postbeamten noch zeitgemäß? 431
liegt, erwerben die von den Landesverwaltungcn angestellten Beamten die Staatsangehörigkeit in dem betreffenden Staate. Allerdings nicht in Baden, denn die badische Regierung macht den im Z 9 des Jndigenatsgcsetzes erwähnten Vorbehalt, und sie hat in der Zweiten Kammer wiederholt erklärt, sie sei stets der Ansicht gewesen, daß hier unter badischen Landesangehörigen nur solche zu verstehen seien, die die badische Staatsangehörigkeit durch Abstammung, nicht durch Aufnahme oder Naturalisation erworben haben. Die Staatsangehörigkeit spielt übrigens nur dann eine Rolle, wenn es sich um die Besetzung von Stellen handelt, die vertragsgemäß den Landeskindern vorbehalten sind; denn diese rücken vielfach früher in diese Stellen ein als ihre Kollegen von gleichem Dienstalter in anderen Teilen des Neichspostgebiets, vornehmlich in Prenßen.
Die Allerhöchste Verordnung vom 29. Juni 1871 (R. G. Bl. 303), die inhaltlich mit der vom 3. Dezember 1867 übereinstimmt und die Form des Diensteides auf den Kaiser festsetzt, bezeichnet die Beamten, deren Anstellung vom Kaiser ausgeht, als „unmittelbare" Neichsbeamte. Im Gegensatz dazu hat sich für die übrigen Beamten die Bezeichnung mittelbare Reichsbeamte eingebürgert. Viel Worte, Tinte und Druckerschwärze sind über diesen Unterschied gerade im Hinblick auf die Post- und Telegrapheubeamten schon verschwendet worden, kein Kommentar des Reichs- oder Beamtenrechts läßt ihn unerörtert. Die meisten halten sich an den Wortlallt der Verfassung und behaupten, dle sogenannten mittelbaren Neichsbeamten seien, weil von den Landesherren ernannt, in erster Linie Landesbeamte. Diesen Standpunkt vertritt namentlich Laband, der aber selbst für die mittelbaren Reichsbeamten die Bezeichnung „Landesherrliche Neichsbeamte" vorschlägt. Diese ganzen Erörterungen sind, was die Post- und Telegraphenbeamten angeht, vollständig müßig, denn sachlich besteht gar kein Unterschied zwischen den unmittelbaren und den mittelbaren Reichsbeamten. Wenn ein Teil der Beamten nun einmal mittelbar sein soll, so sind sie eher mittelbare Landesbeamte als mittelbare Neichsbeamte. denn ihr Verhältnis zum Reich ist viel unmittelbarer als das zu der Landesregierung; ist doch diese, obwohl sie den Beamten angestellt und seinen Eid erhalten hat, nicht einmal in der Lage, den Beamten in ihrem Lande zu halten und seine Versetzung in das Gebiet eines anderen Bundesstaates zu verhiudern. wenn die Reichspostverwaltung diese Versetzung im Interesse des Dienstes verfügt! Laband beruft sich zur Begründung des von ihm vertretenen Standpunktes darauf, daß dieser 1868 vom Präsidenten des Neichskanzlemmts bei der Beratung des Beamtengesetzes im Norddeutschen Reichstag ausdrücklich anerkannt worden sei; er führt ferner einen Erlaß des preußischen Ministers des Innern aus dem Jahre 1869. ein Urteil des Kammergerichts aus demselben Jahre, eine Entscheidung des Disziplinarhoss von 1874 und ein Erkenntnis des Reichsgerichts aus 1880 ins Feld. Das letzte, diese Frage berührende Urteil des Reichsgerichts ist nach dem Kommentar zum Reichsbeamtengesetz von Pereis und Dr. Spilling 1882 ergangen. Daß diese jüngste Entscheidung bald dreißig