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Wessenberg : zum 9. August
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geistigen Schichten, deren Gefühl von Solidarität mit einer wohlmeinenden und aufklärenden Staatsomnipotenz im Sinne Friedrichs des Großen und Josephs des Zweiten, dazu das werdende junge, aus der Gemeinsamkeit geistiger Güter aufgekeimte Nationalbewußtsein der Deutschen, welches dann durch die Nomantik geschichtlich vertieft und durch den Zusammenbruch des Neiches härtend auch auf ein politisches Denken hingelenkt wird, das alles kommt in Wessenberg höchst lebendig zusammen und bestimmt dieser edlen, Humanitären, frommen, zu allem gedanklich, poetisch und künstlerisch Großen aufstrebenden Natur die Lebens­und Berufsideen. Ein Bistumsverwalter, der Lesedramen aus der Hohenstaufen- zeit oder ein Schriftchen über das Zeitalter des Perikles verfaßt, der sich in geschichisphilosophischen Betrachtungen im Geiste Herders ergeht und auf die junge Leserwelt durch dichterisch eingekleidete Erziehungsschriften s, la Mnslon, im Sinne einer von Dogmen nicht weiter beunruhigten deutschen und christlichen Jünglingstugend, zu wirken sucht. Ein katholischer Kirchenoberer, der die Schön­heit des Weibes in ihres Hauses kleiner Welt der Sonne an Gottes Himmel vergleicht und der die Protestanten Deutschlands allein als Brüder im gleichen Christenglauben kennt, aber der freilich auch ihren Abfall, ihren Willen, ihre kirchliche Selbständigkeit sehr wenig beachtet nnd sie in seinen letzten Unbewnßt- heiten in seinen weiten Katholizismus schon wieder hinein uuiert.

Mehr auf solchen Zeitstimmungen, als auf real geprüften Gedanken beruhen seine Pläne einer sich gegen Rom verselbständigenden deutschen National- kirche, als deren beeiferter Publizist und Anwalt am Wiener Kongreß er zur historischen Persönlichkeit geworden ist. Ihr eigentlichster Anachronismus liegt in der damals kaum vollzogenen, also in den Folgen kaum schon richtig zu begreifenden Säkularisation. Diese Wessenbergsche moderne Nationalkirche baut sich noch unwillkürlich auf das achtzehnte Jahrhundert auf, da die deutschen Bischöfe halb- und dreiviertelweltliche Wahlfürsten ans den Dynastien und Adels­familien des Reiches waren. Nichts aber hat in der neueren Geschichte so sehr die Gegenreformation vollendet und den hierarchischen Gehorsam hergestellt als der Wegfall dieses geistlichen und vornehm-weltlichen Zwitterwesens, und infolge­dessen auch die völlige soziale Verschiebung in der geistlichen Rekrutierung. Die von den Laien für so zeitgemäß gehaltene Vernichtung des riesigen geistlichen Erbbesitzes, hat gerade den stärksten Schnitt durch die Verbindung des heimischen Klerus mit den Laien- und Zeitgedanken gemacht. Der römischen Herrschaft ist nun einmal in ihrer ganzen Geschichte so vielfältig das am inner­lichsten verderblich geworden, was sie am hingebungsvollsten betrieben hat, und wiederum das zu unverhofft erneuernden Kraftquellen, was sie am leiden­schaftlichsten als Vergewaltigung bezeichnet und verdammt. Die große Säkularisation hat ihr aus die denkbar günstigste Weise die wirkliche Durchführung des Prinzips der Lcelesia militans und der absolutistischen Befehlgewalt von Rom erst überhaupt ermöglicht. Wäre der Wiener Kongreß auf die selbstverfaßte Natioualkirche eingegangen, er hätte sie genau so situationswidrig in die Luft gestellt, wie 1848 die Frankfurter Postulcmten es mit der weltlichen National­verfassung getan.

Aber, der Kongreß dachte an alle beide gleich wenig, er hatte für diese beiden so geistesverwandten Ideologien nur eine zum Nein entschlossene heuchlerische