Minchcns Geheimnis
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chinesische Schlosser aus Schanghai und Hongkong, die bis 2,50 Rbl. Tagelohn verdienten.
Ich bin nach meinen Beobachtungen zn dem Schluß gekommen, daß die Chinesen in den China anliegenden Teilen Ostasiens nur mit Gewalt davon ausgeschlossen werden können, die Masse der Arbeitskräfte zu stellen, wenige Spezialberufe und Handwerke ausgenommen. Der Hauptgrund ist die Billigkeit des immer neuen Angebots, in zweiter Linie die Willigkeit, Stetigkeit und Gewissenhaftigkeit chinesischer Arbeiter. Intelligenz und Geschicklichkeit sind dagegen nicht besonders bemerkenswert und Körperkraft sowie Schnelligkeit der Arbeit lassen oft stark zu wünschen übrig. Was die kaufmännischen Fähigkeiten des Chinesen betrifft, so liegen sie im großen und ganzen auf dem Gebiet des Kleinhandels; darin ist er unübertrefflich. Auch fern von seiner Heimat in Gebieten heißen Klimas und in Ländern, wo außerordentliche Lohnhöhen herrschen, ist der Chinese jedenfalls ein gefährlicher Konkurrent; aber mit Leistungen westeuropäischer Arbeiter kann die eines Chinesen nach Umfang und Güte keinen Vergleich aushalten. Dieser Umstand in Verbindung mit den leicht erwachenden Ansprüchen chinesischer Arbeiter würde eine etwa entstehende chinesische Großindustrie zu einer zwar fühlbaren, aber wohl kaum jemals vernichtenden Konkurrenz auf dem Weltmarkt machen.
Minchens Geheimnis
Novelle von Max Hoffmann
(Schluß.)
Endlich dämmerte der Morgen, und Minchen, die den Nest der Nncht zwischen bangen Sorgen und undeutlichen, sonderbaren Träumen zugebracht hatte, verließ das ungewohnte Lager und begab sich nach der Küche, um das Feuer auf dem Herd anzufachen. Dann holte sie vom Hofe frisches Brunnenwasser.
Nach dem vorausgegangenen Lnrm kam ihr die jetzt herrschende Rnhe w?e eine Totenstille vor, und die rosig augehauchten Wölkchen, die am klaren Morgen- Himmel langsam dahinsegelten, waren wie freundliche Friedensboten. Sie kühlte sich das Gesicht mit dem' kalten Wasser und erregte beim Auftragen des Frühstücks durch ihr strahlendes Aussehen die Bewunderung des Vaters.
„Man sieht doch, was Jugend ist! Die ganze Sache hat dich gar mcht berührt."
Die Mutter, die wach geworden war, sich aber noch zu schwach zum Aufstehen suhlte, bestätigte nach einem langen Blick die Worte des Vaters.
„Was meinst du. Minchen, wenn dich Heinrich Messerschmidt so sähe!" Die Erwähnung des Referendars schien der Tochter nicht angenehm zu sein.